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Blätterrascheln - Neue Bücher

Blätterrascheln – Neue Bücher
Mit Almut Klotz & Rev. Christian Dabeler sowie Tommy Jaud versuchen zwei Musiker und ein Sitcom-Autor, die Gegenwart auf den Punkt zu bringen. Gegensätzlicher kann “Popliteratur” nicht sein.

Almut Klotz & Rev. Christian Dabeler

Aus dem Leben des Manuel Zorn

Ventil Verlag

Tommy Jaud Resturlaub

Scherz

Klotz und Dabeler sind Musiker. Erstere gründete die Lassie Singers mit, letzterer ist Organist bei Rocko Schamoni. Das hat schon was von Künstlertum, sagt die Klischeeschublade, das riecht nach Altbau mit Piano und ironischen Brüchen im Notenregal. Bei Jaud hingegen denkt man an Pragmatik, an Hemden von C&A, die er selbst im Urlaub trägt, wenn ihm seine Romane und Sketche einfallen. Er schrieb für Anke Engelke, er weiß, wo der Hase lang läuft. Und so kann man – hält man diese beiden Gegenwartsromane gegeneinander – prächtig zuschauen, was passiert, wenn einer auf Pointe schreibt und uns einfach nur eine Geschichte erzählen will, während für die anderen die Form selbst im Mittelpunkt steht. Wo Jaud seinen Protagonisten vor seiner mit Kind und Hochzeit drohenden Freundin nach Argentinien flüchten lässt, um dort in einem heimlichen 14-Tage-Trip zwischen Verwirrung und Exzess zu erkennen, dass es in der bürgerlichen Idylle von Bamberg doch am schönsten ist, hetzen Almut & Klotz ihre zwei Hauptfiguren durch ein nahezu surreal verzerrtes Berlin und, ohne uns allzu schnell eine Ahnung davon zu verschaffen, worum es eigentlich geht. Der Plot bleibt ausdauernd hinter einer Collage von Szenen, Eindrücken, Monologen und Bewusstseinsfetzen verborgen, die Geduld erfordern und immer wieder einzelne Bilder und Ideen an die Oberfläche spülen, die hängen bleiben. Die Agentur für Schlüsselszenen etwa, die ihren Klienten für gutes Geld ermöglicht, traumatische Szenen der Kindheit noch einmal zu erleben, indem sie von Laiendarstellern statisch nachgestellt werden. Nachbarn im Treppenhaus, die hinter verkanteten Regalen eingeklemmt sind. Hysterische Frauen, denen es Angst macht, dass ganz Berlin “untergulliet” ist – ein neugeschöpftes Verb, das fortan das stinkende Tunnelsystem unter der Stadt stetig ins Gedächtnis ruft.

Eine Stimmung von Unwohlsein, Hektik und Zerfahrenheit, die Tommy Jauds Büchern völlig abgeht. “Resturlaub” ist wie sein Vorgänger “Vollidiot” eine straffe, saubere und letztlich moralische Komödie über einen 37jährigen Bierwerbetexter, den der Anspruch seiner Freundin, nach 10 Jahren Beziehung eventuell Nachwuchs, Hochzeit und Reihenhaus mit Kiesauffahrt anzustreben, zu besagter Flucht nach Argentinien bewegt, wo er in einer abstrusen WG unterkommt, jeden 2. Tag im Internetcafé auf die Seite mit den Bamberger Lokalnachrichten surft, eine Affäre mit einem Ex-Model hat und währenddessen seiner mit den Freunden im Urlaub weilenden Freundin vormacht, immer noch daheim zu sein und bei OBI den Heizigel für den Winter zu kaufen, solange er noch billig ist. Formal verbindet die Bücher gar nichts; wo “Manuel Zorn” mit jeder Pore radikale, avancierte Literatur sein und ähnlich wie Lou Probsthayns Roman “Müll” den Großstadt-und Entfremdungsirrsinn durch seine Erzählweise darstellen will, ist “Resturlaub” only entertainment. Was sie dennoch verbindet ist, dass sie – wie so viele Gegenwartsromane von Regener über Goosen bis Keidtel – beide von jungen oder sich auf ewig jung fühlen wollenden Männern erzählen, die Angst vor dem Ankommen haben. Während Klotz und Dabeler darauf die Antwort geben, dass dies im Spinnennetz der Gegenwart ohnehin nicht mehr möglich ist, schickt Jaud seinen Peter “Pitschi” Greulich einfach geläutert nach Hause und lässt ihn seine wahre Identität tatsächlich im Bamberger Kleinidyll finden. Zwei Bücher, denen der Stallgeruch von “hehre Literatur sein” bzw. “alle nett unterhalten” wollen, zu stark anhaftet und die dennoch einen Beitrag zur Verfassung der heutigen Kindmänner liefern.

Aus dem Leben des Manuel Zorn

221 Seiten, Hardcover

14,90 Euro

ISBN 3-9315-5592-5

Resturlaub

256 Seiten, Paperback

12,90 Euro

ISBN 3-5021-1004-2

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