Auch im Gesamtbild sieht die Statistik nicht besser aus: nur 8 Prozent der Künstler:innen in der Rock And Roll Hall Of Fame sind Frauen. Courtney Love bezeichnet dies in ihrem Editorial für die britische Tageszeitung The Guardian als aktive sexistische Ausgrenzung und Ignoranz gegenüber weiblichen Musikschaffenden. Love beginnt den Artikel mit einer Schilderung ihrer musikalischen Sozialisation, die das Durcharbeiten zahlreicher Diskografien, Musikmagazine und Co. umfasste, kommt jedoch schnell zum Punkt: “Aber was mir keine Zeitschrift und kein Album beibringen oder mich darauf vorbereiten konnte, war, wie außergewöhnlich man als Frau und Künstlerin sein muss, um sich im Musikgeschäft über Wasser zu halten.”
Besonders negativ hebt sie die Rock And Roll Hall Of Fame hervor, die dieses Jahr erstmalig seit ihrer Gründung 1986 mehr Frauen nominiert hat, als jemals zuvor – und das, obwohl auch in diesem Jahr nur neun Frauen überhaupt zu den Nominierten gehören. Love erläutert, dass sich in der Geschichte der Aufnahmen in die Ruhmeshalle zeigt, dass es Frauen um einiges schwieriger haben, überhaupt nominiert, geschweige denn aufgenommen zu werden. So wurde etwa Rosetta Tharpe, die als eine der größten Gospelsängerinnen der Musikgeschichte und als Urmutter der Rockmusik gehändelt wird, erst 2018 in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen, während männliche Künstler wie Prince und Beatles-Gitarrist George Harrison direkt, nachdem ihre Aufnahme möglich war (25 Jahre nach Veröffentlichung des Debüts), aufgenommen wurden. Die Liste der marginalisierten Frauen, die eine frühere Aufnahme in die Hall Of Fame verdient hätten, ist lang – die Liste der tatsächlichen Aufnahmen dagegen erschreckend kurz.
Love führt in ihrem Bericht weiter aus, warum die Rock And Roll Hall Of Fame auch weiterhin eine gewisse Relevanz beinhaltet, da beispielsweise Ticketpreise, Buchungen für Touren und Festivals und Reissues mit einer Aufnahme oder Nominierung zusammenhängen. Sie beendet ihren Artikel mit einer direkten Forderung an die Verantwortlichen: “Wenn die Rock Hall nicht gewillt ist, die Art und Weise zu untersuchen, in der sie die Gewalt des strukturellen Rassismus und Sexismus, mit dem Künstlerinnen in der Musikindustrie konfrontiert sind, wiederholt, wenn sie nicht in der Lage ist, das zu würdigen, was visionäre Künstlerinnen geschaffen, innoviert, revolutioniert und zur populären Musik beigetragen haben – dann soll sie doch zur Hölle fahren.”
Pretenders-Frontfrau Chrissie Hynde reagiert kurze Zeit nach dem Erscheinen von Loves Artikel in einem Facebook-Statement auf ihre eigene Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame und berichtet, dass sie 2005 nur zur Verleihungszeremonie gegangen sei, um ihre Eltern glücklich zu machen und bezeichnet die gesamte Institution als schwachsinnig: “Das hat absolut nichts mit Rock’n’Roll zu tun, und jeder, der das glaubt, ist ein Narr.”
In den letzten Monaten wurde vermehrt Kritik gegenüber der Ruhmeshalle geäußert, unter anderem Alanis Morissette hatte ihre Teilnahme an der bisher letzten Verleihung 2022 aufgrund des “sexistischen Umfelds” abgesagt, Dolly Parton schrieb im März 2022 in einem Tweet, dass sie sich “fehl am Platz” fühlen würde mit ihrer Aufnahme. Zu den diesjährigen Nominierten gehören unter anderem George Michael, Rage Against The Machine, The White Stripes und Kate Bush.
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