Anlässlich der internationalen Musikmesse Midem im französischen Cannes vertrat ein Sprecher des deutschen Musikhandels die Ansicht, dass jede Audio-CD künftig um die zehn Euro kosten soll. Beim Verband der Musikindustrie IFPI stößt der Handel damit allerdings auf wenig Verständnis, im Gegenteil: Die Musik-CD sei eigentlich noch zu billig. Die Wettbewerbsfähigkeit mit dem digitalen Vertrieb werde zudem dadurch auch nicht verbessert. Die IFPI sieht das Hauptproblem in der Gratis-Mentalität der Konsumenten, die auf kostenlosen Tauschmöglichkeiten im Web sowie dem Boom des CD-Brenners basiert. Diese gelte es zu bekämpfen.
Was diesen Kampf angeht, hat die US-Vereinigung RIAA einen weiteren Etappensieg gegen den Online-Tausch von Musik via Peer-to-Peer-Systeme erzielen können. Ein aktuelles Urteil zwingt den Internet Service Provider (ISP) Verizon Communications die Identität eines Kunden bekannt zu geben, der mittels KaZaA mehr als 600 Songs bekannter Künstler im Web zum Tausch angeboten hat. Verizon will gegen die Entscheidung berufen. Sollte das Urteil jedoch vom Berufungsgericht bestätigt werden, wäre dies eine mächtige Waffe in den Händen des Industrieverbandes RIAA. Die Musikindustrie könnte dann nämlich die Identität jedes Tauschbörsen-Users ausforschen ohne zuvor eine gerichtliche Verfügung zu erwirken.
Verizon wie auch verschiedene Bürgerrechtsgruppen sehen in der Entscheidung von Richter John Bates eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Das Urteil gefährde die Privatsphäre von Konsumenten durch die bloße Behauptung einer Urheberrechtsverletzung. Zudem werde dadurch auch das Wachstum des Internets gehemmt. Die RIAA zeigte sich – welch Wunder – äußerst erfreut über das Urteil. Damit hat sie eine unkomplizierte und schnelle Waffe in der Hand, um die Drohung, nach den Online-Tauschbörsen selbst auch einzelne User zu belangen, wahr zu machen.
Rechtsgrundlage der Gerichtsentscheidung ist der 1998 verabschiedete Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Darin werden Urheberrechtsinhaber u.a. ohne vorherige gerichtliche Verfügung dazu ermächtigt, von einem Service Provider zu verlangen, die persönlichen Daten eines Kunden bekannt zu geben. Die RIAA hat eine solche Anfrage an Verizon bezüglich eines Abonnenten gerichtet. Der ISP wollte aber die Identität des Kunden nicht bekannt gegeben, weil er sich davon nicht betroffen fühlt. Nicht Verizon sei der eigentliche Service Provider, sondern das dezentrale Peer-to-Peer-System KaZaA. Dieser Sichtweise hat Bates nicht zugestimmt. Der Tauschbörsen-Big Brother ist also in den Startlöchern.
Dirk Siepe