Intronaut – “The Direction Of Last Things”
“The Direction Of Last Things”, der Titel des neuen Albums, weist laut Intronaut-Gitarrist Sacha Dunable auf die Richtung hin, in die Särge gehen und damit der Mensch am Ende selbst, nämlich nach unten. Die Musik seiner Band kann der Kalifornier damit nicht gemeint haben. Die kreist dem Artwork entsprechend vorzugsweise in höchsten Höhen. Bäumt sich auf, schlägt Haken, hustet und prustet. Da braucht es schon ein Trommelfell aus Stein, will man nicht mitgerissen werden. Von “Digital Gerrymandering” etwa, dessen krummtaktiger Prog-Metal in der Gummizelle Doublebass-Tango tanzt. Oder von “The Unlikely Event Of A Water Landing”, dem Themensong zum Fatalismus, der erst nach Walgesang und Schraube locker klingt, dann in trügerischer Sicherheit wiegt und letztendlich doch seine Pontons sanft auf der Wasseroberfläche aufsetzen lässt. In nur vier Tagen eingespielt, errichten Dunable und Kollegen ein weit verzweigtes Labyrinth, in dem Tool– und Meshuggah-Einflüsse ihr minoisches Unwesen treiben und dem Hörer so lange durch die Gehörgänge nachjagen, bis dieser den Ariadne-Faden nur allzu gern aus der Hand legt.
Album-Stream: Intronaut – “The Direction Of Last Things”
Shye Ben Tzur, Jonny Greenwood And The Rajasthan Express – “Junun”
Diesen Sommer hatte Jonny Greenwood andere Dinge im Kopf, als sich über ein neues Radiohead-Album Gedanken zu machen. Zusammen mit Hausproduzent Nigel Godrich und Regisseur Paul Thomas Anderson (“Boogie Nights”, “There Will Be Blood”) verschlug es ihn nach Jaipur in Indien. Mit dem israelischen Komponisten Shye Ben Tzur und dem Rajasthan Express entstand “Junun”, ein Album, das in der Summe so klingt, wie man sich ein gemeinsames Jammen der Beteiligten im Kopf zusammenaddiert. Subkontinentale Gesänge treffen auf Keyboardflächen, während die Percussion meist eine Mischung aus elektronischen Loops und echten Weltmusik-Instrumenten ist.
Bestaunen kann man das Ganze in der gleichnamigen Doku Andersons, die beim Streamingdienst Mubi vorliegt. Exotisch und wie in Trance kommt diese Musik daher, interessant allemal. Und doch seltsam unüberraschend, wenn man sich vor Augen hält, dass Greenwood bereits eine Reggae-Compilation kompiliert, abstrakte Soundtracks kreiert und Avantgarde-Kompositionen aufgeführt hat.
Album-Stream: Shye Ben Tzur, Jonny Greenwood And The Rajasthan Express – “Junun”
Deville – “Make It Belong To Us”
Mit ihrem vierten Album haben es sich Deville komplett im Heavy-Stoner-Rock gemütlich gemacht. “Make It Belong To Us” präsentiert gleich im Opener alle Facetten, die den Sound der Schweden ausmachen: voranpreschende Drums, schroffe Riffs und die mächtige Stimme von Andreas Bengtsson. Songs wie “Chief” beweisen, dass sich die Band mit Fuzzorama Records die wohl bestmöglichste Plattenfirma für ihr neues Material ausgesucht hat. Ganz nach Manier der Label-Lokalmatadore Truckfighters
liefern sie am Fließband Riffs, die den perfekten Soundtrack für einen Roadtrip durch die Wüste liefern. Bei “Life Decay” und “Reflecting Surface” zeigen sie dafür, dass ihr Ursprung im Alternative-Bereich liegt. Nur nach einem ruhigen Balladen-Track sucht man auf dieser Platte vergeblich. Während ihre Genre-Kollegen gerne mal eine instrumentelles Interlude zum Runterkommen einbauen, packen Deville all ihre Energie in die zehn knackigen Songs und geben Vollgas.
Album-Stream: Deville – “Make It Belong To Us”
Traitor – “Venomizer”
Es ist der 26. April 1986 als in Tschernobyl in der Nähe der ukrainischen Stadt Prypjat “Reactor IV” explodiert. Traitor nehmen den Hörer mit Oldschool-80er-Jahre Thrash-Metal mit auf eine Reise in eine der dunkelsten Stunden der Kernenergie und bauen ein Alternativszenario auf. Eine Welt voller mutierter Halb-Zombies die als “Lords Of Lust”, einer Horde marodierender “Chemical Violators” die Ruinen durchstreifen, und in ihrer giftigen Halbverwestheit auf der Suche nach Nahrung sind. Ein Szenario, das übrigens in eindrucksvoller Gore-Manie der alten Schule auf dem Cover zu “Venomizer” verbildlicht ist. Egal ob bei “Torturize”, “Toxic Death” oder dem Titeltrack, Traitor drücken das Gain- und Gaspedal voll durch. Erst zum zweiten Drittel der Platte hin wird ins Midtempo gedrosselt, was die Platte aber kaum ausbremst. “Venomizer” ist ein reinherziges Thrash-Metal-Album der alten Schule; Uptempo-Riffing, Kopf an Kopf mit Gitarrensoli und Doublebass-Geknüppel, sprich: zwölf Songs lang Nahrhaftes für Berufs-Headbanger. Traitor nehmen sich ihre eigenen Worte aus “Teutonic Storm” zu Herzen: “Thrash is a way of life/ Thrash all we need […] Thrash is our way of life/ our uniform.”
Album-Stream: Traitor – “Venomizer”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “Montage Of Heck: The Home Recordings” von Kurt Cobain, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.