Millionaire – “Sciencing”
Wenn man sich über 10 Jahre nicht gesehen hat, gibt es bekanntlich so einiges zu erzählen. Ähnlich muss es wohl Millionaire gehen, die auf “Sciencing” eine Kreativität an den Tag legen, die ihresgleichen sucht. Bereits der Opener “I’m Not Who You Think You Are” überrascht derart mit seiner harmonisch freien Skurrilität und Lo-fi-Sound, dass man sich von Beginn an in eine andere Welt versetzt fühlt. Diese ist geprägt von psychedelischen Harmoniewechseln, ungewöhnlichen Instrumentierungen und repititiven Loops, die sich nie abnutzen, sondern immer eine eigene, mystische-magische Klangwelt schaffen. “Silent River” erinnert mit seinen digitalen Drums und dem süffisanten Gesang an die Gorillaz, “Love Has Eyes” bietet einen trance-artigen Klangsturm samt John Frusciante-Gitarrenbreak und “Under A Bamboo Moon” klingt gar wie das Ritual eines Naturvolks. Die Belgier haben erfolgreich den Josh Homme-Einfluss von “Paradisiac” abgelegt und machen endlich ganz ihr eigenes Ding. Wurde auch Zeit.
Album-Stream: Millionaire – “Sciencing”
Petyr – “Petyr”
Auch wenn hinter Petyr die Band von Tony Hawks Sohn steckt, hat diese auf ihrem Debütalbum mit Skatepunk rein gar nichts am Hut. Stattdessen entfaltet sich das Quartett in lupenreinem Psychrock, der sich auch ganz ohne Promi-Bonus nicht verstecken muss. Die atmosphärischen Song-Exzesse der Band leben sich vor allem instrumental aus. In “Old And Creepy” lassen die US-Amerikaner ihre rauschenden Heavy-Rock-Gitarren etwa erst genüsslich langsam agieren, bevor sie den immer schneller werdenden Song in ein ekstatisches Solo münden lassen. In “Stairway To Attic” nimmt die Band die Beine in die Hand, der Song ergießt sich in einem rasanten Stoner-Gewitter. Und in “Satori III” zollen Petyr den japanischen The Flower Travellin’ Band Tribut. So fabrizieren die US-Amerikaner ein spannendes erstes Werk, das bereits reifer klingt als die Alben manch alteingesessener Künstler.
Album-Stream: Petyr – “Petyr”
Black Lips – “Satan’s Graffiti Or God’s Art?”
Die titelgebende Frage darf man dem neuen Black Lips-Album durchaus stellen. In 18 Tracks verpackt das Quintett auf “Satan’s Graffiti Or God’s Art?” so viele Einfälle, dass sich das Endergebnis nur noch entfernt als Garage Rock bezeichnen lässt. “Lucid Nightmare” erinnert mit seiner funkigen Westerngitarre beispielsweise eher an eine klassische Blues-Hymne. Das schnarrende Leitmotiv aus “Squatting In Heaven” verleiht dem Sound der Band einen psychedelisch-orientalischen Einschlag. “Can’t Hold On” versprüht mit seinen kraftvollen Blechbläsern sogar Big-Band-Flair. Das allgegenwärtige “Ist das Kunst oder kann das Weg?”-Problem muss bei dieser Fülle an musikalischen Gedankenspielen zweifelsohne jeder für sich selbst klären. Der kreative Ideenreichtum der Black Lips ist aber in jedem Fall beeindruckend.
Album-Stream: Black Lips – “Satan’s Graffti Or God’s Art?”
Blink 182 – “California” (Deluxe Edition)
Im Juli vergangenen Jahres brachten Blink 182 mit “California” ihr erstes Album mit Alkaline-Trio-Gitarrist Matt Skiba und gleichzeitig ihr stärkstes seit langer Zeit heraus. Die heute erscheinende Deluxe-Edition enthält neben den 16 regulären Basis-Tracks elf neue Songs sowie eine akustische Live-Version von “Bored To Death”. Musikalisch bieten die Lieder ähnlich bittersüßen Pop-Punk, “Parking Lot” oder “6/8” glänzen durch düstere, harte Gitarren. Songs wie “Hey I’m Sorry” und “Long Lost Feeling” wecken sogar Erinnerungen an die melancholisch-hymnischen “I Miss You” und “Always” vom frühen gleichnamigen Album der Band, und im akustischen “Bored To Death” werden Blink-182 gesanglich von ihren Fans unterstützt.
Blink 182 – “California” (Deluxe Edition)
Unsere aktuelle Platte der Woche, “Herrschaft der Vernunft” von Die Negation, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche, findet ihr in unserer Übersicht.