Camorra – “Mourning, Resistance, Celebration”
Supergroups haben oft darunter zu leiden, dass ihre Musik nichts weiter als die Summe ihrer Einzelteile darstellt und lediglich nach einer Mixtur einzelner Genres klingt. Von Camorra hätte man daher eher Emo-Post-Hardcore erwartet, besteht das Trio doch aus den Mitgliedern von Far und Jawbox. Doch nichts von alledem ist der Fall, denn aus ihrer gemeinsamen EP “Mourning, Resistance, Celebration” ist instinktiv warmer, leicht vertrackter Indierock geworden. Der Sound wird dominiert von zumeist schmeichelnden, manchmal aber auch aggressiven E-Gitarren, dem lieblichen Gesang von Jonah Matranga und einem rhythmisch überraschend ausgefeilten Schlagzeug. Dieses klingt etwa auf dem puristischem “Parting Friends” mit seinen immer eingängigen Jazz-Ansätzen nach dem Versuch, wie Pink Floyds “Money” den 7/4-Takt salonfähig zu machen. Generell merkt man dem allgegenwärtigen Minimalismus der Platte an, dass über jedes Instrument, jede Note und jede musikalische Entscheidung intensiv für das hochpräzise Ergebnis nachgedacht wurde.
Album-Stream: “Mourning, Resistance, Celebration”
Boris – “Dear”
Boris sind einfach nicht totzukriegen. Die Japaner feiern 2017 ihr 25-jähriges Bestehen, “Dear” ist bereits ihr 21. Album. Darauf stürzt sich die Band in Doom-Metal-Welten von derartiger Schwere, dass es fast schon überzeichnet wirkt. In Songs wie “D.O.W.N. -Domination Of Waiting Noise-” oder “The Power” prallen heftige Gitarren-Monumente mit schier endloser Gewalt auf klirrende Synthesizer-Elemente, die dem Sound der Platte eine verquer-düstere Atmosphäre verleihen. Das die finster-brodelnde Langsamkeit nicht immer das erklärte Ziel ist, beweist hingegen ein Track wie “Absolutego”, dessen Instrumental wesentlich Riff-basierter, aber mit seinen dreckigen Noise-Verzerrungen nicht weniger markerschütternd ist. So schaffen Boris eine Platte, die dramaturgisch zwar keine besonderen Akzente setzen kann, deren verstörende Atmosphäre sich aber trotzdem wie das ideale Spiegelbild schwarzer Seelen anfühlt.
Album-Stream: Boris – “Dear”
Waxahatchee – “Out In The Storm”
Auf “Out In The Storm” klingt Katie Crutchfield mit ihrem Bandprojekt Waxahatchee so verträumt und melancholisch wie noch nie. In Songs wie “Fade” rückt ihre flüsternde Stimme komplett in den Vordergrund, der Song wird lediglich von einer ruhig gezupften Akustikgitarre begleitet. Aber auch die für sie typischen Fuzz-Gitarren finden Platz auf dem Album. Bestes Beispiel dafür ist der Opener “Never Been Wrong”: Hier krachen die Crash-Becken, die schrill-melodiöse Gitarre füllt den Song aus und Crutchfield heult bittersüß gegen die verrauschte Soundwand an. Und irgendwo zwischen diesen beiden Extremen finden sich die restlichen Songs ein. “Out In The Storm” ist der perfekte Soundtrack für verträumte Spätsommernächte.
Waxahatchee – “Out In The Storm”
Bloodclot – “Up In Arms”
Cro-Mags-Frontmann John Joseph schafft es mit seiner neuen Band Bloodclot Wut und rohe Gewalt so zu kanalisieren, dass sie im besten Fall niemand anderes abbekommt. Das Debütalbum “Up In Arms” klingt nach einer Hasstirade. Auf den 12 Songs knallen die Drums der Bass dröhnt tief in den Bauch, und rasende Riffs unterstreichen den Zorn, mit dem John Joseph die Texte ins Mikro rotzt. Mit seiner an Sprechgesang erinnernden Art und der pochenden Rage des Frontmanns erinnert “Up In Arms” an die aktuelle Body Count-Platte “Bloodlust”. Der Hardcore der späten 80er und frühen 90er wird auf Bloodclots Debüt wieder lebendig.
Bloodclot – “Up in Arms”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “Trippin’ With Dr. Faustus” von Amplifier, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.