Jen Cloher – “Jen Cloher”
Die Welt von Jen Cloher muss eine sehr ruhige sein. Anders lässt sich die Musik auf ihrem nach der Singer/Songwriterin benannten vierten Album nicht erklären: Es sind sanfte Klangwelten, eingesponnen in ein Netz aus leicht verzerrten Gitarren, dezent nach vorne gehendem Schlagzeug und der nahbaren Stimme Clohers. Vom tröstlichen Zusammenspiel der Gitarren auf “Regional”, dem zurückhaltenden Blues der Patti Smith-Hommage “Analysis Paralysis” oder dem Akustik-Groove von “Loose Magic” – Cloher badet in ihrer dreckigen Melancholie. Manchmal sogar wie die frühen Coldplay, die für einen Auftritt in der Lieblingskneipe ihrer Väter Blues spielen. Die Songstrukturen sind dabei immer einfach, fast schon monoton gehalten. Clohers Ausdrucksform ist der Minimalismus, in manchen Songs wird sie unterstützt von ihrer Lebensgefährtin Courtney Barnett, der “Forgot Myself” gewidmet ist. Aufgebrochen werden die bewusst unperfekt produzierten Songs nur von den zahlreichen lässigen Gitarrensolos. Blues eben.
Album-Stream: Jen Cloher – “Jen Cloher”
The Lurking Fear – “Out Of The Voiceless Grave”
“Hässlich, verdreht und besessen” – so klingt Death Metal à la Göteborg, wenn es nach The Lurking Fear geht. Die Supergroup besteht aus Tomas Lindberg und Schlagzeuger Adrian Erlandsson von den schwedischen Melodic-Death-Metallern At The Gates, dazu kommen Jonas Stålhammar und Fredrik Wallenberg, sonst Gitarristen bei The Crown und Skitsystem, und Disfear-Bassist Andreas Axelsson. Zusammen wollen sie offiziell “die natürliche Verrücktheit und den Horror zurück in die Szene bringen”, und die drei Songs ihrer Debüt-EP ließen ihren Worten Taten folgen. Auf “Out Of The Voiceless Grave” sind noch mehr enthalten und fügen sich gut ins Gesamtbild eines dunklen Mahlstroms aus Lindbergs kehligen Aggressionen und temporeichem Death Metal ein. Songtitel wie “Tentacles Of Blackened Horror” und “The Infernal Dread” sprechen eine klare Sprache, zur Abwechslung kommen oft Grabesstimmung verbreitende Intros zum Einsatz, die gesampleten Stimmen in “The Cold Jaws Of Death” halten die Herzfrequenz hoch. Eindeutiges Highlight: “Upon Black Winds”, das erst den Ohrenschmalz rauspustet, dann mit einem Streicher-und-Tasten-Outro paralysiert. Mehr davon bitte!
Album-Stream: The Lurking Fear – “Out Of The Voiceless Grave”
Guided By Voices – “How Do You Spell Heaven”
Guided By Voices, das sind 2017 nur noch Robert Pollard und ein paar Angeheuerte. Schon vor einiger Zeit zerschlug der Bandleader die im klassischen ’93-’96-Line-up wiederformierten Indie-Helden erneut. Um dem Fehlen des eigentlich unersetzlichen Tobin Sprout entgegenzuwirken, gab es voriges Jahr unter anderem das Doppelalbum “August By Cake”, ein im Überfluss schlingerndes, vollgepacktes Statement – und, ganz nebenbei, die hundertste Platte Pollards, der zwischendurch auch gerne mal Album um Album veröffentlicht. Nun also “How Do You Spell Heaven”, eine Frage ohne Fragezeichen. Dafür müsste Pollard auch mal zu Atem kommen. Stellt er Fragen, klingen sie wie Befehle, baut er zwischen seine ohnehin kurzen Songs noch kürzere Akustik-Spielereien wie “They Fall Silent”, klingen sie wie Vorwürfe, will er rocken, kommt mit “Just To Show You” empathische Sanftmut dabei heraus. Großartig ist alles, erinnert oft an die 90er, und die Beisitzer dürfen sogar manchmal mitsingen. Eine halbe Stunde dauert das, dann ist wieder Schluss. Leider, möchte man sagen, denn Pollard scheint sich zum x-ten Mal zu fangen. Schön.
Album-Stream: Guided By Voices – “How Do You Spell Heaven”
The Districts – “Popular Manipulations”
“I’m just a narcissist”, behauptet Rob Grote im Opener “If Before I Wake” – kann ja gar nicht sein, schließlich drängt er sich über die Dauer von “Popular Manipulations” nicht gerade in den Vordergrund. Zwar bestimmt sein Gesang die Songs, die sind allerdings so dicht produziert, dass man nicht umhin kommt, die Musik an sich als Star zu betrachten. Überall warten kleine Details auf ihre Entdeckung, sogar die Ballade “Fat Kiddo” kann durch eine bunt gewobene Sounddecke begeistern. Trotzdem schreiten The Districts voran, meist im Midtempo, aber das genügt ja auch, wenn es wie in der Single “Ordinary Day” von flächigen Synthies und Gitarrenfiguren flankiert wird. Das Album ist also ein klassischer Grower, der von seinem Teamwork lebt, von seinem Vielen, das zu Einem wird. Produzent John Congleton hat nicht umsonst so ein abwechslungsreiches Portfolio: Sleater-Kinney fürs geradeheraus Rocken, Franz Ferdinand für den charismatischen Gesang, Wye Oak für die süße Weirdness – sie alle hört man hier vereint.
Album-Stream: The Districts – “Popular Manipulations”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “5 Billion In Diamonds” von 5 Billion In Diamonds, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.