Grizzly Bear – “Painted Ruins”
Obwohl Grizzly Bear als Kritikerlieblinge gelten, hatten sie sich in den letzten Jahren eher zurückgehalten. Ihr bislang letztes Album “Shields” war immerhin bereits 2012 erschienen. Die gute Nachricht: Die Wartezeit hat sich gelohnt, “Painted Ruins” steht den alten Werken der Band in nichts nach. Mit dem sphärischen “Wasted Acres”, das an die Pop-Erneuerer Alt-J erinnert, eröffnen sie ihre Reise durch die skurrile Welt des Albums, “Systole” klingt wie ein Fiebertraum im Wunderland, und Songs wie “Aquarian” bekommen in ihrer Mischung aus traumhafter Psychedelik und starkem Pop-Appeal wohl nur Grizzly Bear hin. Das Quartett schafft den selten gelingenden Spagat zwischen zugänglicher Eingängigkeit und tiefgründigen Experimenten, ohne je simpel auf der einen oder abgehoben auf der anderen Seite zu wirken. Jedem Song merkt man dabei die Leidenschaft und auch die Freude an, die in das Songwrting geflossen ist. Als Hörer wird man hier nicht bloß gefordert, sondern herzlich dazu eingeladen, an einer komplexen Erfahrung teilzuhaben.
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The Hirsch Effekt – “Eskapist”
Die Musik von The Hirsch Effekt spielte schon immer mit krassen Kontrasten, auf “Eskapist” treibt die Band diesen Ansatz nun auf die Spitze. Wütende Metal-Brecher wie “Aldebaran” stehen sorglosen Frickeleien wie “Natans” wie selbstverständlich gegenüber, vereinen sich dabei aber trotzdem durch ihren großen Anspruch und die technisch unanfechtbare Klasse. Songs wie die erste Single “Lifnej” oder das beeindruckende “Lysios” zeigen wiederum eine bis dato ungekannte Progressivität im Songwriting des Trios aus Hannover. Wahre Größe entfalten The Hirsch Effekt dann aber gleichzeitig auch in Momenten wie dem ruhigen Klavier-Zwischenspiel “Autio”, das völlig schlicht und einfach nur schön ist. Es zeugt von echter Liebe zur Musik, sich auch als verkopfte Mathcore-Band für solche Augenblicke nicht zu schade zu sein.
Album-Stream: The Hirsch Effekt – “Eskapist”
Kolari – “Fear/Focus”
Kolari entfesseln auf ihrem Debütalbum brodelnden Post-Hardcore von grenzenloser Wut. Die Gitarren jagen unheilvoll durch die Songs und entfachen gemeinsam mit dreckigem Geschrei und den nimmermüden Schlagzeug-Peitschen eine Vielzahl an agressiven Gewittern, die den Sound der Hamburger problemlos neben Größen wie Every Time I Die stellen. Dabei wird das Quintett immer wieder überraschend eingängig, zum Beispiel in “The Anxiety Plan”, das sich mit cleanem Gesang und hymnisch-melancholischem Gitarrensolo deutlich vom Rest der Songs abhebt. Das unter zwei Minuten kurze “Too Big Too Fail” ist dagegen zwar hemmungslos brutal, lässt mit seinen krachenden Gang-Shouts und der pausenlos wandernden Gitarre trotzdem niemals Stumpfsinn aufkommen. So schaffen Kolari eine Platte, die stets möglichst laut, aber niemals flach zu Werke geht.
Album-Stream: Kolari – “Fear/Focus”
Rainer Maria – “S/T”
Rainer Maria ließen sich mit ihrem neuen Album besonders viel Zeit. Über 10 Jahre ist der Release von “Catastrophe Keeps Us Together” nun her, doch ab der ersten Sekunde von “S/T” ist klar: Die Emo-Pioniere haben nach ihrer Reunion viel neues zu sagen. Dabei fallen viele der Songs, allen voran “Suicide And Lazy Eyes” überraschend roh und fuzzig aus – hier ist also nichts mit halbgar aufgewärmter Kost der Jahrtausendwende. “Lower Worlds” groovt kraftvoll vor sich hin, in “Forest Mattress” kehrt das Trio zurück zu ihren charakteristischen, unverzerrten Emo-Gitarren und den eingängigen Melodien. Bei allem bleibt auch das Experimentieren zum Glück nicht auf der Strecke, wie dem Folk-Einschlag auf “Blackbird” oder der wunderbar schleppenden Fuzz-Ballade “Hellebore”. Davon könnten sich die New Yorker ruhig noch mehr erlauben, fürs Erste ist “S/T” jedoch ein gelungener Schritt zu alter und neuer Stärke.
Album-Stream: Rainer Maria – “S/T”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “To The Bone” von Steven Wilson, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.