Wiegedood – “De Doden Hebben Het Goed III”
Kalt, kälter, Wiegedood: Der Trilogie-Abschluss “De Doden Hebben Het Goed III” ist ein dynamisches, atmosphärisches und finstere Black-Metal-Ungetüm. Der Eröffnungstrack “Prowl” schließt quasi nahtlos an das Vorgängeralbum “De Doden Hebben Het Goed II” an, das im Februar 2017 erschienen war. Rasendes, bitteres Gebolze dominiert über lange Strecken, begleitet von hohem Gekreische untermalt wird. Die drei Belgier spielen ohne Bass – das einzige Element, das etwas Wärme stiften können, lassen Wiegedood bewusst außen vor – kalt wie die Toten, die es “gut haben”, wie der Titeltrack sagt. Der beispielsweise endet jedoch abrupt in der Mitte und schafft Raum für eine ruhige, melancholische Pause. Doch die halten bei Wiegedood nicht lange. In “Parool”, dem Schluss ihrer Trilogie, treten sie noch einmal kräftig aufs Gas, rasen förmlich ins Chaos und enden dann präzise auf einen allerletzten Schlag. Bekannt sind die Mitglieder Levy Seynaeve, Schlagzeuger Wim Copper und Gitarrist Gilles Demolder jeweils von Amenra, Rise And Fall und Oathbreaker – mit Wiegedood übertreffen sie alle ihre Projekte jedoch in ihrer Härte.
Album-Stream: Wiegedood – “De Doden Hebben Het Goed III”
Pennywise – “Never Gonna Die”
Die neue Pennywise-Platte “Never Gonna Die” ist 100 Prozent reiner Cali-Punk – so wie man Pennywise kennt: Konstant direkt und vorwärtstreibend, mit schnellen Punkrock-Riffs und hymnischen Melodien. Der kalifornische Sonnenschein im Klang fehlt aber in den Texten – logisch, es geht ja auch um aktuelle Politik und persönliche Probleme. “Can’t Save You Know” macht mit eingespielten Trump-Zitaten gleich klar, worum es geht, Songs wie “Keep On Moving”, “Live While You Can” und “Won’t Give Up The Fight” sind klare Statements zur Selbstmotivation. In “She Said” geht es um ein zerbrochenes Herz und den Wunsch, die Zeit zurückzuspulen und dann alles besser zu machen. Pennywise sind sich bewusst, dass sie ins Alter kommen, was sie in “Goodbye Bad Times” besingen, wo sie sich von alten Lastern befreien. Man merkt den Herren ihr Alter jedoch nicht an. Pennywise klingen nicht weniger lasch, im Gegenteil: Die endgültige Rückkehr von Sänger Jim Lindberg (nach der Platte “Yesterdays”, auf der sie alte Songs neu aufgewärmt hatten) lässt die Band zu alter Form zurückfinden.
Album-Stream: Pennywise – “Never Gonna Die”
Die Nerven – “Fake”
Das Stuttgarter Trio Die Nerven entwickelt sich auf “Fake” weiter, ohne seine Essenz aus den Augen zu verlieren: Die Punk- und LoFi-Einflüsse sind noch da – zum Beispiel auf dem explosiven “Frei” oder dem Opener “Neue Wellen” – aber sie sind hier Teil des Gesamtkonstrukts, anstatt den Ton anzugeben. Im Vordergrund stehen verschachtelte Songs zwischen Indiepop und Post-Punk mit weit gefächerten Einflüssen: “Frei” überrascht mit einem an die Musik von 1000 Robota erinnernden Basslauf, die schimmernden Akkorde von “Niemals” könnten auch auf einer neuen Beach House-Single ein Zuhause finden. Die Resultate sind individuell, eingängig, komplex, und doch immer zu 100 Prozent Die Nerven. Mühelos schaffen sie den Spagat zwischen kaum greifbar und direkt.
Album-Stream: Die Nerven – “Fake”
Melvins – “Pinkus Abortion Technician”
Seit ihrer Gründung 1987 verging für die Melvins kaum ein Jahr ohne Neuveröffentlichung. “Pinkus Abortion Technician” kommt nur neun Monate nach “A Walk With Love And Death” und ist ein waghalsiges Experiment: Jeff Pinkus von den Butthole Surfers gibt hier den zweiten Bassisten, und gleich mit dem Opener “Stop Moving To Florida” führt die ungewöhnliche Konstellation den waghalsigen Versuch durch, zwei Fremdkompositionen miteinander zu vereinen. Zum einen den Butthole Surfers-Klassiker “Moving To Florida”, auf der anderen Seite den fast 50 Jahre alten Song “Stop” von James Gang. Es funktioniert, die Doppel-Bass-Combo gibt dem Noiserock der Melvins eine noch schärfere Kante. Richtig hart und düster werden sie aber nie: Songs wie “Flamboyant Duck” mit seinem balladesken Banjo-Spiel haben immer den typisch albernen Unterton der Band, mit ihrem ausgeflippten Beatles-Cover “I Wanna Hold Your Hand” ziehen sie die sympathische Quatsch-Schraube noch fester an. Melvins machen sich das Liedmaterial ganz zu eigen, würzen es mit etwas Grunge, Stoner und Noise – und bleiben am Ende bekömmlicher, als man es von ihnen erwartet hätte.