Fucked Up – “Dose Your Dreams”
Auch das ist Hardcore: So variantenreich und verspielt, wie ihn Fucked Up auf ihrem siebten Studioalbum “Dose Your Dreams” präsentieren, hört man dieses Genre nur selten. Die kanadischen Punks kombinieren ihn meisterhaft mit völlig fremden Stilrichtungen. So setzen sie der rotzigen Stimme von Sänger Damien Abraham immer wieder komplementäre Elemente aus Glamrock (“Normal People”), Pop (“Tell Me What You See”) oder gar EDM (“Mechanical Bull”) entgegen. Die Experimente glücken in jedem Fall und machen das 18 Songs starke Konzeptalbum – übrigens ein Nachfolger zu ihrer ähnlich langen Hardcore-Oper “David Comes To Life” – zu einem eindrucksvollen Klang-Querschnitt. Dafür sorgen auch Gäste wie J Mascis, der durch Markenzeichen-Näseln und Fuzz-Pedal zusammen mit Jennifer Castle “Came Down Wrong” bereichert. Fucked Up stellen sich gar nicht erst die Frage, ob die Mischung aufgehen könnte. Sie ziehen es einfach rücksichtslos durch und ebenso explosiv gestaltet sich auch das Ergebnis.
Album-Stream: Fucked Up – “Dose Your Dreams”
Cursive – “Vitriola”
Sechs Jahre haben sich Cursive für den Nachfolger von “I Am Gemini” Zeit gelassen – deshalb ist “Vitriola” so ein reifes Produkt geworden. Schubladen wie Indierock oder Post-Hardcore sind viel zu klein für die Band, denn mit dem Album gelingt ihnen der Spagat zwischen melancholischen Rocksongs wie “Free To Be Or Not To Be You And Me” und Ambient-Soundcollagen wie “Remorse” spielend leicht. Trotz der musikalischen Bandbreite wirkt “Vitriola” weder zerfahren noch überambitioniert. Vielmehr folgt das Album einer klaren Struktur, ähnlich einem Buch oder einem Film. Frontmann Tim Kasher kämpft sich aufgebracht durch eine Welt voller hasserfüllter Politik, in der Geld alles regiert und die Gesellschaft vor lauter Verrohung droht, zu kollabieren. Er hält sich mit seinem Zorn jedoch regelmäßig zurück, um der Instrumentalfraktion ihren Platz zu lassen. Insbesondere Bass und Schlagzeug treiben Songs wie “Ghost Writer” oder die erste Single “Life Savings” mit viel Groove nach vorne, nach vielen Jahren findet aber auch wieder sanftes Cello Platz in Cursives Musik. Songs wie “Life Savings” sind besonders zugänglich – doch wer noch tiefer in Symbolik und Soundsphären eintaucht, wird mit einem komplexen Abbild der zeitgenössischen Anspannung belohnt.
Album-Stream: Cursive – “Vitriola”
High On Fire – “Electric Messiah”
Sind High On Fire der “Electric Messiah” oder erweisen sie ihm mit ihrem gleichnamigen Album nur die Ehre? Klar ist jedenfalls: Auch das achte Studioalbum des Stoner-Metal-Trios steigt wieder aus dem dunklen Morast brachial sägender Stoner-Riffs, zerschmetternder Gesangsparts und zerstörerischer Instrumental-Ritte empor. Drei Jahre nach “Luminiferous” bleiben High On Fire sich treu – und sprechen dieses Mal sogar sehr konkret aus, wo Frontmann Matt Pike für sein raues Whisky-Stimmen-Gebell in die School Of Rock gegangen ist: Der Titeltrack der Platte erhebt die verstorbene Motörhead-Ikone Lemmy Kilmister zum elektrischen Messias, zum “God Of The Godless”, dessen Beispiel man folgen kann und soll: “All give praise as the ace hits the stage/ All are amazed at the cards that he played/ My homage paid to the king in his grave/ He’s playing bass and he’s melting your face”, poltert Pike, während die elektrisierten Riffs und das wüste Schlagzeug unermüdlich durch den Song jagen. Und wenn High On Fire dann auch noch in “Steps Of The Ziggurat – House Of Enlil” und “The Witch And The Christ” ein Musik gewordenes Fantasy-Epos vom Feinsten exerzieren, wird schnell klar: Diese Band ist ist und bleibt “high on fire”!
Album-Stream: High On Fire – “Electric Messiah”
City And Colour – “Guide Me Back Home”
Im vergangenen Jahr reiste der längst auch als Solokünstler intensiv verehrte Alexisonfire-Sänger Dallas Green mit seinem Soloprojekt City And Colour durch seine kanadische Heimat, um seine Singer/Songwriter-Kunst in intimem Rahmen und noch reduzierter als ohnehin vorzutragen. Mitschnitte von der Tour bilden nun das Live-Akustikalbum “Guide Me Back Home” – und das überzeugt, ohne dabei zu überraschen: Zur Akustikgitarre horcht Green emotional und tief in sich hinein und verwandelt seine Songs zwischen sehnsüchtigem Gesang und zartschmelzendem Falsett in berührende Kleinode. Dank der guten Produktion ahnt man auch die knisternde Live-Situation, das Publikum schweigt meist andächtig, wenn Green spielt oder Geschichten rund um die Songs erzählt, nur zwischen den Stücken bricht es in beglückten Jubel aus. Ein tiefer Trost geht von diesem Album aus, das ganz für die stillen Momente andächtigen Zuhörens gemacht ist – kaum jemand hätte das so gut hinbekommen wie Green.
Album-Stream: City And Colour – “Guide Me Back Home”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “Vaxis – Act I: The Unheavenly Creatures” von Coheed And Cambria, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.