Karies – “Alice”
Im gewohnten Zweijahresrhythmus liefern Karies mit “Alice” ein neues Album ab. Bereits das eröffnende “Holly” offenbart eine Kurskorrektur. Weniger Post-Punk-Wahnsinn und mehr Direktheit ist die Devise. Dafür haben Karies die Verzerrung der Gitarren zurückgefahren und Benjamin Schröter singt weniger manisch als bisher. Schlagzeuger Kevin Kuhn wiederum steht zwar für die anstehende Tour nicht zur Verfügung. Auf “Alice” allerdings ist sein markantes Schlagzeugspiel das treibende Element. Nur beim Instrumentalstück “Ansichten” und in “1987” hält er sich zurück. In letzterem übernehmen 80er-Jahre-Snythesizer und ein grooviger Dance-Beat die Kontrolle. Zum Ausgleich dafür lässt “Haverie” kratzige Gitarren los, was an “Es geht sich aus” erinnert. Trotz dieser stilistischen Schlenker hält eine düstere Atmosphäre “Alice” zusammen und macht das Album zum passenden Soundtrack für verregnete Herbsttage.
Album-Stream: Karies – “Alice”
Kurt Vile – “Bottle It In”
“Constant Hitmaker”: So hatte Kurt Vile sein Debütalbum von 2008 genannt und heute, zehn Jahre und sechs Alben später, erweist sich dieser Titel als prophetische Beschreibung seiner Karriere. Auf seinem neuen Album “Bottle It In” erfüllt Vile dieses Kredo jedenfalls, wo er mühelos einprägsame Songs aus Americana, Folk und Rock zusammenfügt. Der Songwriter mit der markanten Nölstimme gibt sich weiterhin experimentierfreudig. Wo im Vorgänger noch das Piano vermehrt als Begleitung seinen Platz fand, dreht Vile hier verspielt an den Synthie-Reglern herum, wie die Ode an das Falschparken “Loading Zones” gleich zu Beginn klarstellt. Die elektronischen Soundsphären drängen sich selten in den Vordergrund, sondern bilden zusammen mit Viles Gitarrenspiel einzigartige Folkrock-Electronica-Symbiosen. Vile wirkt auf der Platte so, als wäre er komplett bei seinem Sound angekommen, was “Bottle It In” zu seinem bisher abwechslungsreichsten Album macht. Hypnotisierende Folksongs wie der Titeltrack und “Bassackwards” treiben entspannt dahin und prallen auf Synthie-Jamsession-Bastarde wie “Check Baby” oder den Bluegrass-Hybriden “Come Again”. Gemeinsam haben sie alle eins: Kurt Viles Hit-Prädikat.
Album-Stream: Kurt Vile – “Bottle It In”
Uncle Acid & The Deadbeats – “Wasteland”
“I See Through You”: Der Opener des neuen Uncle Acid & The Deadbeats-Albums “Wasteland” kündigt bereits an, in welchen dystopischen Dimensionen sich die Psychedelic-Rocker damit konzeptuell bewegen. Das “Wasteland” repräsentiert dabei eine fiktive Welt, in der düstere Zukunftsvisionen vom Überwachungsstaat bis zur medialen Gehirnwäsche Alltag sind. Passend unruhig und angespannt wirkt dazu auch der doomige Sound der Platte. Mit voran stampfenden Instrumental-Sequenzen und deutlichen 70er-Jahre-Psychedelic-Einflüssen erzählt “Wasteland” eine Geschichte, die bedrückend und bewusstseinserweiternd zugleich wirkt. “Into the badlands we ride/ To a place they’ll never get you/ They know there’s nowhere to hide/ Behind the walls of Shockwave City” tönt es in Sänger Kevin Starrs fuzziger Stimme im Song “Shockwave City”, während der sich immer wiederholende Titel eine tranceartige Atmosphäre erzeugt. Noch düsterer wird es dann im Track “No Return”, der nicht nur durch seinen Namen eine einnehmende Stimmung verbreitet. Auch das Zusammenspiel von monoton-düsteren Gitarren-Riffs und der ebenfalls mantraartig wiederkehrende Einsatz des Titels zeigen, dass es bei dieser Platte definitiv kein Zurück mehr gibt. Die acht musikalischen Geschichten aus dem “Wasteland” präsentieren sich als sowohl inhaltlich wie auch klanglich zusammenhängendes Konstrukt, das nicht mehr los lässt. Mit einem ähnlich Genre-übergreifendem Klang und der gleich starken Konzentration auf die Konzeptuelle Einheitlichkeit des Vorgängers “The Night Creeper” entführen Uncle Acid & The Deadbeats mit ihrem neuen Album auf den ersten Blick in eine dunkle, bedrohlich wirkende Dystopie, die sich musikalisch allerdings fernab eines Horrortripps bewegt.
Album-Stream: Uncle Acid & The Deadbeats – “Wasteland”
Pablo Matisse – “Wasting Light”
Pablo wer? Spätestens, wenn man die Namen der Pablo Matisse-Mitglieder liest, muss man als Rockfan aufhorchen: Ian Person von den leider aufgelösten The Soundtrack Of Our Lives trifft hier auf Per Stålberg von den Punkrockern Division Of Laura Lee, komplettiert wird die Band von Mikael Björklund & Samuel Järpvik von Affordable Hybrid. Und was die gestandenen Musiker hier auf ihrer Debüt-EP “Wasting Light” fabrizieren, erinnert dann auch an ihre anderen Bands: 80er-Hardcore-Punk landet etwas milder und mit schwedischem Dur-Gemüt im Jetzt, man darf an The Soundtrack Of Our Lives beziehungsweise deren wildere Vorgängerband Union Carbide Productions denken, schnodderige Oasis-Momente schmiegen sich an uneitlen sonnigen Stomper-Punkrock, die Hellacopters grüßen die Hot Snakes – mit denen Pablo Matisse folgerichtig schon am Sonntag gemeinsam auf der Bühne stehen.
EP-Stream: Pablo Matisse – “Wasting Light”
Unsere aktuelle Platte der Woche, “Beside Myself” von Basement, und alle weiteren Neuerscheinungen der Woche findet ihr in unserer Übersicht.