Nach der wohl für viele überraschenden Info, dass Farin Urlaub als Gast auf dem Soloalbum “Flake feiert Weihnachten” von Rammstein-Keyboarder Christian “Flake” Lorenz zu hören sein wird, erntete der Ärzte-Gitarrist reichlich Kritik – sowohl in seinem eigenen Online-Gästebuch, als auch auf Social Media. Ein Statement gab er auf unsere Anfrage nicht ab, da er aktuell verreist sei. Auch wenn er offenbar immer noch unterwegs ist, äußert sich der Sänger nun erstmals öffentlich zur Debatte.
Ebenfalls über sein Gästebuch teilt er ein Statement, in dem er sich vor allem dafür entschuldigt, manche Menschen durch die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls umstrittenen Rammstein-Mitglied enttäuscht zu haben. “Da geh ich so ziemlich selbstgerecht durchs Leben und halte meine Entscheidungen größtenteils für wohlüberlegt – und dann spiele ich auf einem Weihnachtsalbum mit, weil ich Flake als Freund sehr schätze, und vergesse dabei, daß ich damit in der heutigen Symboldebatte ein Signal sende, das man völlig falsch auffassen kann”, so Farin Urlaub.
Farin Urlaub nimmt Flake in Schutz
Weiter stellt er klar, dass er sich “nicht 40 Jahre lang verstellt” habe oder “spontan meinen moralischen Kompass weggeworfen” habe. “Ich verachte jede Form von Gewalt gegen Frauen zutiefst”, schreibt er und verteidigt aber auch seinen Kreativpartner und Freund: “Jegliche Intimität setzt allseitiges Einverständnis der Beteiligten voraus. Das ist in meiner Gedankenwelt so selbstverständlich, daß ich nicht dachte, es jemals ausdrücklich sagen bzw. schreiben zu müssen; und wäre ich nicht überzeugt davon, daß er das genauso sieht, könnte ich nicht mit Flake befreundet sein.”
Farin Urlaub begrüße aber auch die losgetretene offene Diskussion: “Wir müssen die Verhaltensmuster brechen, die Femizid, Vergewaltigung, Demütigung von Schwächeren und Machtmissbrauch ermöglichen oder zumindest nicht verhindern”, heißt es in dem Statement weiter. Dass er trotzdem “unbeabsichtigt auf der falschen Seite dieser Debatte” gelandet sei, fühle sich für den Sänger nicht gut an. Als Schluss zieht er daraus: “Wichtig ist nicht, was ich persönlich über jemanden denke, sondern dass ich mich im Zweifelsfall auf die Seite der mutmaßlichen Opfer stelle. Darauf hätte ich wirklich selber kommen müssen.”
Vorwürfe gegen den Rammstein-Keyboarder
Nicht nur gab es gegen Sänger Till Lindemann zahlreiche Missbrauchsvorwürfe und – mittlerweile eingestellte – Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft, auch Lorenz selbst wurde im Zuge der Debatte um Rammstein von zwei Frauen des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.
Eine anonyme mutmaßliche Betroffene hätte sich 2002 mit damals 17 Jahren nicht gegen Sex mit dem damals 36-jährigen Lorenz wehren können. 1996 soll eine damals 22-Jährige ihr Bewusstsein bei einer Aftershowparty verloren haben und nackt neben Lorenz aufgewacht sein. Der ließ die Vorwürfe über seinen Anwalt mit Bezug auf seine Intimsphäre und unzureichend belegte Tatsachen zurückweisen.
Auch wenn keine Anzeigen gestellt oder Verfahren eingeleitet wurde und Rammstein selbst immer noch ausverkaufte Konzerte spielten, litt Lorenz’ Ruf: Sein Podcast bei Radioeins etwa wurde “auf unbestimmte Zeit pausiert”, sein Auftritt bei der ARD-Sendung “Inas Nacht” herausgeschnitten. Als einziges Rammstein-Mitglied hatte sich Schlagzeuger Christoph Schneider ausführlicher zu den Vorwürfen geäußert und sich öffentlich von seinen Bandkollegen distanziert.
Gastbeitrag wie ein “Schlag in die Magengrube”
VISIONS-Redakteur Jan Schwarzkamp hat die Vorwürfe um Rammstein vergangenes Jahr in einem ausführlichen Kommentar behandelt. Kolumnistin Kat Ott nahm sich zuletzt mit ihrem Kommentar der Flake-Farin-Koop an und nannte die Zusammenarbeit einen “Schlag in die Magengrube jener, die sich unermüdlich für bessere Bedingungen, die Verurteilung des systematischen Missbrauchs in der Musik- und Kulturbranche und schlichtweg für menschlichere Werte einsetzen.”