Es liegt eine kaum auszuhaltende Spannung in der Luft, kurz bevor die Foo Fighters am Freitagabend die Utopia Stage betreten. Eine Besucherin trägt ein weißes T-Shirt, auf dem in Schwarz schlicht “Taylor Hawkins” steht. Es ist das erste Deutschlandkonzert seit 2019, aber vor allem das erste seit dem Tod des Schlagzeugers im vergangenen Jahr. Dabei wirkt zunächst alles wie immer und doch ist nichts an diesem Konzert selbstverständlich als Dave Grohl, mit einem markerschütternden Schrei, der aus dem Publikum beantwortet wird, die Bühne stürmt und “All My Life” anstimmt.
Die folgenden zwei Stunden wird dieser Zwiespalt auch nie ganz weggehen: Für die Fans ist es zum einen ein vertrauter Anblick: der Mann in Schwarz mit der altbekannten Gibson DG 335, der anheizt, im zweiten Song “No Son Of Mine” mal einen Abstecher zu einem Black Sabbath-Riff hinlegt, kurz darauf zu “The Pretender” die Massen in Circle-Pits kreisen und singen lässt, witzelt, unterhält und über die Bühne sprintet. Zum anderen steht da aber ohne Taylor Hawkins nun eine andere Band: Grohl wirkt kurz sehr müde als er das auf so vielen Ebenen in der Bandgeschichte botschaftsschwangere “Walk” vom Album “Wasting Light” anstimmt und wer kann es ihm verdenken. Gleichzeitig treibt ihn der neue Mann hinter dem Schlagzeug zu Höchstleistungen an, die ihre Energie erst auf die restliche Band und von da aus auf das Publikum übertragen.
Josh Freese ist ein Glücksfall für die Foo Fighters, versiert, banderfahren und eine Wucht am Schlagzeug, da sind sich Band und Publikum einig: Als Grohl das neue Mitglied während “The Sky Is A Neighbourhood” (und sicher nicht zufällig in diesem Song) vorstellt, schlägt Freese nichts als anerkennender und dankbarer Applaus entgegen. Grohl spielt daraufhin zwei Songfragmente aus Freeses Karriere von Devo bis Nine Inch Nails an, um unter Jubel klarzumachen, WIE gut der neue Mann an den Drums ist. Das Puddle Of Mud-Fragment wie schon zuvor beim Boston Calling Festival spart er dem Publikum und Freese unter Gelächter der Band heute. Ein guter Move, der das Set auflockert und wieder für Ausgelassenheit sorgt.
Für das Highlight der Show ist dann eine junge Sängerin verantwortlich, die Grohl stolz als seinen Hotel-“Roomie” und “absoluten Lieblingsmenschen” ankündigt: Tochter Violet Grohl, die mit ihren 17 Jahren weniger an das Mädchen aus den Aufnahmen vom Schultalentwettbewerb erinnert, die vor einigen Jahren Vater und Tochter singend zeigen. Viel mehr steht da eine abgeklärte, erwachsene Künstlerin auf der Bühne, die den Song “Shame Shame” mit atemberaubend, souligem Gesang aufwertet. Dave Grohls Blick dabei: eine unbezahlbare Mischung aus väterlicher Vergötterung und kollegialer Anerkennung.
Als schon in der Mitte der mit Klassikern beladenen Setliste, in die sich die Songs vom am selben Tag erschienenen, neuen Album “But Here We Are” nahtlos einfügen, “My Hero” ertönt, erwartet man fast eine Ansage zu Taylor Hawkins, doch die bewahrt sich Grohl bis zu “Aurora” vom Album “There Is Nothing Left To Lose” auf. Das widmet er seinem Freund und Bandkollegen, “der einen Person, die heute nicht hier sein kann”, wie er sagt, mit Blick gen Himmel.
Das Konzert endet, wie es begonnen hat, mit einem Klassiker: “Everlong” und der beruhigenden Erkenntnis, dass es weitergehen wird. Zwar ohne die Queen-Cover, ohne, dass Sänger und Schlagzeuger gegenseitig ihre Sätze beenden und ohne, dass sich Grohl an die Drums setzt, dafür aber mit einer neuen, anderen Energie, die im Moment noch sehr viel gleichzeitig ausstrahlt: Stärke, Wut und Trauer, aber auch und das sieht man jedem einzelnen Bandmitglied am Ende dieses Festivalauftritts an: eine unbändige Erleichterung darüber, zurück zu sein auf der Bühne, dort Kraft zu tanken oder mit den Zeilen von “Everlong” gesprochen: “And I wonder/ When I sing along with you/ If everything could ever feel this real forever.”