Vergangenen Monat hatte System-Of-A-Down-Frontmann Serj Tankian sich im Gespräch mit dem britischen Metal Hammer ein weiteres Mal zum Konzert der Poprocker Imagine Dragons in Aserbaidschan geäußert, deren moralische Integrität infrage gestellt und als “keine guten Menschen” bezeichnet. Diese waren am 2. September 2023 im Olympiastadion in Baku aufgetreten. Bereits davor hatte Tankian die Band dazu aufgefordert, ihr Konzert aufgrund des anhaltenden Konflikts und der humanitären Lage in Aserbaidschan abzusagen. Dem war die US-Band jedoch nicht nachgekommen, auch seitens anderer Musiker (u.a. Brian Eno und Thurston Moore) wurde Kritik laut.
Zu den Vorwürfen bezog nun Imagine-Dragons-Frontmann Dan Reynolds im Gespräch mit dem Rolling Stone nun Stellung und äußerte sich dazu, ob er das Konzert in Baku bereuen wurde. Dabei kam er ebenfalls auf die Show seiner Band in Tel Aviv im August zu sprechen: “Nein. Ich glaube nicht daran, dass unsere Fans, die uns sehen wollen, wegen der Handlungen ihrer Führer und ihrer Regierungen benachteiligt werden.[…] Ich denke, sobald man damit anfängt, gibt es überall auf der Welt korrupte Führer und Kriegstreiber, und wo zieht man dann die Grenze?” Mit Blick auf die Kritik von Tankian antwortete Reynolds knapp: “Ich habe alles dazu gesagt. Es ist ein schmaler Grat, und ich werde unseren Fans niemals eine Show vorenthalten.”
Tankian reagierte prompt und schrieb: “Bei allem Respekt, ich ziehe die Grenze bei ethnischer Säuberung und Völkermord. Aserbaidschans Diktatur mit Unterstützung der Bevölkerung befand sich bereits in einer neunmonatigen Hungerblockade von Bergkarabach, die vom ehemaligen ICC-Ankläger [Internationaler Strafgerichtshof] Luis Moreno Ocampo als Völkermord eingestuft wurde, als sie beschlossen, in Baku zu spielen”, so der Sänger. Weiter fragte er sich: “Würden sie auch in Nazi-Deutschland spielen? Warum wollen sie nicht in Russland spielen? Weil es nicht populär ist? Sie unterstützen die Ukraine, aber nicht die Armenier von Artsakh? Der einzige “schmale Grat” ist die Farce der moralischen Gleichwertigkeit, die dieser heuchlerischen Haltung zugrunde liegt. Ich habe nichts gegen diesen Mann oder seine Band. Ich hasse es nur, wenn Künstler ausgenutzt werden, um völkermordende Diktaturen zu beschönigen.”
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Seit langem macht der Sänger auf den Bergkarabachkonflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan aufmerksam, tritt für humanitäre Themen und die Arbeit von Hilfsorganisationen ein. So veröffentlichte er vor vier Jahren mit System Of A Down die Charity-Singles “Protect The Land“ und “Genocidal Humanoidz”. Damit hatte die Band ihre internen Differenzen beigelegt – zumindest für kurze Zeit.
Im Zuge seines aktuellen Buches “Down With The System” bezeichnete der Frontmann im Interview gegenüber VISIONS seine Band als “Beatles von Armenien” und erklärte zur politischen Situation der Heimat seiner Vorfahren: “Das heutige Armenien ist gleich von zwei Diktaturen bedroht: von Aserbaidschan und von der Türkei. Nicht zu vergessen die Entvölkerung von Bergkarabach, die vom Internationalen Strafgerichtshof praktisch als Kriegsverbrechen eingestuft worden ist. Der Großteil der Welt weiß nichts von diesen Verbrechen. Und ich werde dann gefragt, warum ich ein Aktivist bin.”