Die Metalcore-Veteranen As I Lay Dying sind im alten Line-up zurück – und das ist eine Schande. 2013 hatte Sänger Tim Lambesis versucht, seine Frau von einem vermeintlichen Auftragskiller ermorden zu lassen. Warum also geben sich seine alten Bandkollegen nun wieder mit ihm ab?
Ein 30-minütiges Erklärvideo der Band liefert keine wirkliche Antwort, nur eine von Scham erfüllte Bro-Therapiesitzung voller verschleiernder Phrasen rund um “Heilung” und “Zueinanderfinden”. Leadgitarrist Nick Hipa, der Lambesis 2014 nach einem selbstgerechten Interview präzise als “soziopathischen Narzissten” beschrieben und sich mit dessen Frau solidarisiert hatte, schildert nun, wie er nach der öffentlichen Entschuldigung des Sängers Ende 2017 diesen als anderen Menschen kennengelernt habe – und dass er eine Chance sah, “den Schmerz und die Hoffnungslosigkeit loszuwerden.”
Das kann man emotional verstehen, schließlich bezahlten auch Lambesis’ Kollegen dessen Tat ungerechterweise mit ihrer Karriere, dem Verlust eines langjährigen Freundes und endlosen Journalistenfragen. Vielleicht war es für sie am Ende leichter, einen angeblich geläuterten Lambesis zu akzeptieren, als den Hass auf ihn aufrecht zu erhalten.
Nur macht es das nicht besser, auch wenn viele Fans im Netz das anders sehen: “Er war wegen Steroid- und Drogenmissbrauch nicht bei Sinnen!” Doch, wer einem Undercover-Cop passende Mord-Termine nennt und Haus-Sicherheitscodes weitergibt, handelt kaltblütig kalkulierend. “Er hat seine Strafe abgesessen, damit ist der Fall erledigt!” Jenseits der juristischen gibt es auch eine moralische Gerechtigkeit, und solange Lambesis’ unmittelbar betroffene Ex-Frau ihm nicht öffentlich verzeiht, ist dessen Schuld nicht getilgt. “Jeder hat eine zweite Chance verdient, Resozialisierung ist wichtig!” Dass Lambesis nach drei Jahren wieder in Freiheit lebt, ist seine zweite Chance. Die Vorstellung aber, dass der Sänger sich nun wieder finanziell einträglich auf Bühnen weltweit als Idol bejubeln lässt, während seine Familie tagtäglich mit den psychischen Folgen des versuchten Auftragsmordes leben muss, ist schlicht pervers.
Wie so oft geht es dabei nicht zuerst um die Frage, ob man As I Lay Dying jetzt noch hören darf – sondern darum, warum manche das so unbedingt wollen, dass sie ein paar Metalcore-Songs vor den Wert menschlichen Lebens stellen. Statt sich vom Pathos der Erzählung vom gefallenen und geläuterten Helden blenden zu lassen, sollten sich Fans in das Opfer hineinversetzen. Wessen Leben ausgelöscht werden sollte, der vergibt weniger leichtfertig.