James, Korn existieren seit rund 20 Jahren. Ihr habt elf Studioalben veröffentlicht, Millionen Alben verkauft, zwei Grammys gewonnen. Was motiviert euch nach all diesen Erfolgen überhaupt noch zum Weitermachen?
Es geht darum, kreativ zu bleiben. Um diesen Moment, in dem einem ein Song, ein Riff oder ein Sound einfällt und so eine Spannung im Raum herrscht – wenn man einfach will, dass die Fans das hören, dass ein Publikum darauf reagiert. Man stellt sich vor, wie dieses Riff zum Leben erwacht, wie man es aufnimmt und die Leute irgendwann live dazu durchdrehen. Wann immer sich dieses Gefühl einstellt, ist es der kreative Funke, der uns weitermachen lässt. Natürlich gibt es auch diese “Und was machen wir jetzt noch Neues?”-Momente, Frustration stellt sich auch mal ein. Aber das alles lohnt sich für die Augenblicke, in denen diese eine Idee den Durchbruch bringt.
Hattet ihr je Zweifel, ob ihr musikalisch überhaupt noch etwas Neues zu sagen habt?
Nein. (lacht) Das war unsere ganze Karriere über das Großartige: Wir haben immer versucht, das nächste Album ein bisschen anders anzulegen oder auf dem Aufzubauen, was wir gerade gemacht hatten. Auf “The Path Of Totality” haben wir zum Beispiel stark von Dubstep beeinflussten Metal gespielt. Und ein bisschen davon findet sich auch der neuen Platte wieder, als eines von mehreren gemeinsamen Elementen, die alles zusammenhalten.
Ihr habt mit eurem Sound Ende der 90er-Jahre den New Metal entscheidend mitgeprägt. “The Paradigm Shift” scheint sich – nicht als erstes Album in eurer Bandgeschichte – trotz Dubstep- und Elektro-Einflüssen wieder stärker auf diesen Sound zu besinnen. Ist es für euch mit den Jahren wichtiger geworden, euch selbst und eure Hörer an Korns musikalische Wurzeln zu erinnern?
Ich denke, wir haben diesen Sound einfach in uns. Es geht nicht so sehr darum, ob es uns wichtig ist, so zu klingen. Es ist einfach das Ergebnis dessen, wer wir sind – wie Head spielt, wie ich spiele, wie Jonathan [Davis] singt… es ist in unserer DNA angelegt. Wenn du dir eine Korn-Aufnahme von vor 10 oder 15 Jahren anhörst und das mit einem Korn-Song von heute vergleichst, sind das immer noch die gleichen Charakteristika, die uns ausmachen, mit denen wir kreativ arbeiten. Das ist aber glaube ich kein bewusster Prozess nach dem Motto: “Oh, ich muss darauf achten, weiterhin so zu spielen.”
Zumindest euer neuntes Album “Korn III: Remember Who You Are” von 2010 widmet sich dem Thema aber schon sehr explizit…
Ja. Ich glaube, zu der Zeit war es tatsächlich wichtig für Korn, dass wir uns daran erinnert haben, wo wir herkommen. Über die Jahre haben wir mehrere Gründungsmitglieder verloren, deshalb war dieser Blick zurück damals nötig. Weil man den Blick für seine ursprünge verliert. Es war einfach an der Zeit, sich wieder zu besinnen. Nicht so sehr musikalisch, sondern eher in dem Sinne, dass wir vergessen hatten, dass unsere Karriere ein Geschenk ist, ein echter Glücksfall.
Spielt das Thema Rückbesinnung auf dem neuen Album auch eine Rolle? Stellenweise wurde “The Paradigm Shift” – nach dem Dubstep-lastigen Vorgänger – als Back-To-The-Roots-Platte interpretiert.
Für uns war es wichtig, zu fünft in den Proberaum zu gehen und die Songs gemeinsam als Band zu schreiben. Das hat automatisch dazu geführt, dass einige unserer alten Trademarks wieder aufkamen, zum Beispiel die ineinander verflochtenen Gitarren-Sounds. Dieses mal haben wir zuerst die Songs geschrieben und dann später elektronische Elemente hinzugefügt. Auf “The Path Of Totality” lief es genau andersherum. “The Paradigm Shift” ist verglichen damit viel mehr ein gemeinsam von uns fünf mit klassischem Songwriting erarbeitetes Bandalbum. Es so anzugehen fühlte sich mit Head in der Band einfach richtig an: “Schreiben wir ein Gitarren-Album und legen dann Electro darüber.”
Hat sich diese Arbeitsweise und musikalische Richtung einfach so ergeben oder musstet ihr euch darauf verständigen?
Jonathan ist stark von Electro beeinflusst, deshalb meinte er öfter: “Über diesen Part legen wir dann später überall noch Electro-Sounds.” Brian und ich haben uns dann meistens angesehen und gedacht: “Moment, wie bitte? Lass unsere Gitarren-Riffs in Ruhe!” Es war schon ein Ringen, wir mussten alle Kompromisse machen. Während der Aufnahmen hatte deshalb auch niemand von uns das Gefühl, dass es zu 100 Prozent das Album ist, das wir machen wollen. Alle haben eine gewisse Verunsicherung gespürt und sich gefragt: “Was passiert hier gerade eigentlich?” Aber als sich der Staub gelegt hatte und wir die Platte gemixt haben, sind die Zweifel langsam verblasst.