Zwei Dinge mit denen man mich immer kriegt: Boogie-Blues und Sitar-Drones. Beides eint Solo-Black-Key Dan Auerbach in “Every Chance I Get (I Want You In The Flesh)” – einem Song der Compilation “Tell Everybody!”, mit der Auerbach Werbung für die Blues-Künstler auf seinem Label Easy Eye Sound macht.
Eine Band, von der ich mich immer wieder gerne überraschen lasse sind Bilderbuch. Seit Jahren agieren die Ösis herrlich unberechenbar und nach ihren eigenen Regeln. So etwa mit ihrem Single-Doppel “Softpower”/”Dino”. Beide Songs eint psychedelischer Rock, bei “Softpower” kommen noch handgemachte 90s-Breakbeats dazu. Leider sind sie mit “Bluezone” schon wieder weiter Richtung Hyperpop gezogen.
Vom Duo Pearl & The Oysters hatte ich nie zuvor gehört – und eigentlich ist mir der Sound von Juliette Pearl Davis und Joachim Polack zu sehr Synth-Pop. Für “Read The Room” haben sie sich jedoch mit Laetitia Sadier von Stereolab zusammengetan – und wenn der Song ab Sekunde 36 zum Ratatat-mäßigen Gitarren-Menuett anhebt, dann haben sie mich im Sack.
Ein Song von meinem Album des Jahres darf selbstverständlich nicht fehlen. Das kommt von den Kanadierinnen Nobro, die endlich ihr Debütalbum “Set Your Pussy Free” veröffentlicht haben – und darauf alles einlösen, was ihre hitgespickten EPs zuvor versprochen haben: Garage Rock meets Pop-Punk und hochmelodischer, mehrstimmiger Gesang. Und der auch noch mit Attitüde.
Die Wurzeln der Australier Private Function liegen im Pub-Rock – und wie sich das für eine gescheite Pub-Rock-Band gehört, haben sie immer auch Coversongs im Repertoire. Das war auf ihren frühen EPs so – und das ist auch so auf ihrem Album “370HSSV 0773H” (sprich: Hello Asshole). Darauf machen sie sich über den frühen Coldplay-Hit “Yellow” her und bauen ihn um zu einem rauen, mitreißenden Emo-Punk-Kracher, der klingt wie der beste Songs, den Hot Water Music nie geschrieben haben.
Eine der besten – wenn nicht die beste – Hardcore-Platte des Jahres stammt von Militarie Gun, die nach mehreren EPs endlich mit “Life Under The Gun” auf Albumlänge debütieren und maßgeblich dafür mitverantwortlich sind, dass Hardcore wieder spannend und frisch klingt. Dafür holen die Kalifornier um Mastermind Ian Shelton Pop und Indie in den Mix und arrangieren ihre Songs nicht eine Sekunde zu lang – am besten zu hören in “Do It Faster”.
Hinter den Bleachers steckt Jack Antonoff. Der ist als Superproduzent seit Jahren aktiv für Megastars wie Taylor Swift, Lorde, St. Vincent, P!nk, Lana Del Rey, Carly Rae Jepsen, FKA Twigs, Sia etc. etc. etc. Aber: Antonoff hat als Indierocker mit Steel Train angefangen und ist gebürtig aus New Jersey. Von dort stammt selbstverständlich auch der Boss Bruce Springsteen – und mit “Modern Girl” verbeugt sich Antonoff mit den Bleachers herrlich power-poppig vor Springsteen und seiner E-Street-Band.
Die größte Überraschung stellten für mich 2023 Dictator Ship aus dem schwedischen Uppsala dar. Auf ihrem zweiten Album “Electric Jihad” reisen sie ins politisch aufgeladene Detroit der späten 60er. Als Teaser veröffentlichen sie den atemberaubenden, actiongeladenen Titeltrack einige Monate vor Albumveröffentlichung. Das Stück ist ein Schaulaufen der Talente der Band – eines davon ist der mehrstimmige, soulige Gesang.
Überrascht haben mich auch Geese. Bisher spielten die New Yorker verschrobenen Indierock mit Haken und Kanten. Das hat sich auf dem zweiten Album “3D Country” nicht geändert – nur holen sie hier noch Classic- und Southern Rock, Soul und Gospel dazu. Dass dieser übergeschnappte Mix irgendwie funktioniert und von der Band zum Niederknien gut live umgesetzt wird, macht die Sache noch besser. Das irre “2122” hat mir beim Reeperbahnfestival vor Grinsen fast den Kiefer ausgerenkt.
Eine Band, die seit Jahren nicht mehr aus meiner Top-10 wegzudenken ist, sind selbstverständlich King Gizzard & The Lizard Wizard, gerade, wenn die Band Bock auf Heaviness hat. “Petrodragonic” ist die herrlich übergeschnappte Fortsetzung des brillanten “Infest The Rats’ Nest” – und mit dem ersten Vorboten “Gila Monster” war direkt alles gesagt. Wenn Ambrose Kenney-Smith ab Minute 2:50 seine Zeilen auf den Beat quasi-rappt, ist der Wahnwitz komplett.