Zehn Songs sind eigentlich viel zu wenige für jemanden, der gleich fünf Jahres-Mixe in einsamen Nerd-Stunden zusammenbastelt. Da zehn Songs aus dem Kontext zu reißen und in eine schlüssige Reihenfolge zu bringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das Ergebnis ist also etwas kraut- und rübig – und zeigt, dass meine persönlichen Alben des Jahres nicht zwangsläufig die Songs des Jahres abwerfen.
Die Geschmeidigkeit, mit der Twin Peaks auf “Dance Through It” eine funky Basslinie mit Orgel, Backing-Sängerinnen, zurückgelehntem Southern-Vibe und am Ende gar Bläsern garniert, ist der perfekte Sommerabend-Soundtrack. Vampire Weekend waren sich der betörenden Wirkung ihrer Gitarrenfigur von “Harmony Hall” anscheinden derart sicher, dass sie den Song zunächst als neverending Loop ins Netz gestellt haben. Perfide, aber so schafft man Ohrwürmer.
Meine meistgehörte Platte in diesem Jahr war sicherlich “Pretty Buff” von Angel Du$t. Auch, weil die 30 Minuten so schnell vorübergehen. Viele Hits sind darauf – aber “Bang My Drum” vereint all die neuen Stärken der Hardcore-gone-Folk-Pop-Band – in diesem Fall sogar ein E-Street-Band-Gedächtnis-Saxophon-Solo. Schätzungsweise ebenso oft gehört habe ich “Almost Free” von Fidlar. Da kommt von der Hit-Dichte ja auch kein anderes Album ran. Die Platte klingt wie eine Compilation. Ich habe mit dem bluesigen “Can’t You See” trotzdem mal einen Song aus dem Nicht-Zusammenhang gerissen.
Pedro Gonçalves Crecenti und Peter Rubel von International Music sind auch The Düsseldorf Düsterboys. Die spielen Psych-Rock mit Dada-Texten auf ihrem Debütalbum “Nenn mich Musik”. Das so simpel wie nachdrücklich getextete “Kaffee aus der Küche” ist perfekter 60s-Düster-Psych.
Crypt Trip sind drei Typen, die ihre Instrumente wahnsinnig gut beherrschen – und dieses Talent nutzen, um den bestmöglichen Southern-Rock zu spielen, seit “Brothers And Sister” von den Allman Brothers. Nur, dass Crypt Trip eben zu dritt sind, zuvor oldschooligen Doom gespielt und jetzt halt an Leichtigkeit gewonnen haben. Außerdem gibt es in “Gotta Get Away” vom fantastischen “Haze County” ein Schlagzeugsolo ab 3:40! “Regen” ist ein starkes zweites Album dieser immer noch jungen Ausnahmetalente Van Holzen. Die Ulmer wissen, was sie wollen und was eben nicht. Dabei entstehen unverkrampfte Songs, von denen “Alle meine Freunde” mit seiner krachenden Hook, dem unverstellten Text und der hymnischen Melodie am meisten überzeugt.
Eigentlich habe ich es nicht so mit Prog-Metal. Aber bei Moon Tooth sprüht die Spielfreude aus jeder Pore – was man im irren “Trust” hört, wenn die Band ab 3:38 Minuten in wenigen Sekunden von Southern zu Funk zu Djent switcht und noch ein Saxophon drübertröten lässt. Als hätten Clutch und Protest The Hero ein Kind der Liebe gezeugt. Außerdem: Keine Song-Top-Ten ohne King Gizzard & The Lizard Wizard, die mit ihrem überraschenden Thrash-Metal-Ausflug “Planet B” für den größten Euphorieschub 2019 gesorgt haben.
Ich vermisse ja die Baroness der roten und blauen Phase sehr. Alles, was die Band danach gemacht hat, hat mich bei weitem nicht mehr so gepackt. Umso dankbarer bin ich Pijn & Conjurer, dass sie sich die Mühe gemacht haben, den alten Baroness-Spirit mit ihrem unfassbar epischen “High Spirits” zu reproduzieren. Hoffentlich kommen sie noch häufiger auf diese Schnappsidee.