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Lieblingssongs 2021: Jonas Silbermann-Schön

Lieblingssongs 2021: Jonas Silbermann-Schön
Die VISIONS-Redaktion blickt zurück auf das Musikjahr 2021. Dieses Mal: Die 10 Lieblingssongs von Redakteur Jonas Silbermann-Schön.
Foto: Lea Franke

Auch 2021 hatten wieder Verschwörungstheorien um Deep States, Reptilienmenschen und Mikrochips Hochkonjunktur. Die Viagra Boys sind uns Lichtjahre voraus und wittern im kurzen “Secret Canine Agent” mit wavy Devo-Peitsche schon gleich das nächste Übel: Die Unterwanderung der Hunde-Geheimagenten (oder der geheimen Hundeagenten?).

Am anderen Ende des Post-Punk-Spektrums ist mit Squid eine der Newcomer-Bands des Jahres für mich. Grandioser Stilmix aus Math, Kraut, Jazz, Noise und abgedrehten Field Recordings, womit sie zwischen all den düster dreinschauenden The-Fall-Klonen heraustechen. In “Paddling” gibt es dann noch Dance-Punk mit Betonung auf Dance, was verdeutlicht, dass sie auf dem Electro-Label Warp nebst Künstler:innen wie Techno-Weirdo Aphex Twin wohl ganz gut aufgehoben sind.

Die Genre-Speerspitze bilden nach wie vor Idles, deren Album “Crawler” im Vergleich zu den liebevoll-gewalttätigen Vorgängern unübersichtlich und unzugänglich wirkt. Für mich jedoch der zukunftsweisende Ansatz, um interessant zu bleiben. Zwischen den ruhigen Artrock-Monumenten wie “MTT 420 RR” wirken manische Machtdemonstrationen wie “The New Sensation” in puncto Rawness umso gigantischer.

“Glow On” von Turnstile, die absolute Konsensplatte dieses Jahr, welche Indiehörer zum Hardcore brachte und umgekehrt, darf natürlich auch nicht in dieser Liste fehlen. Allein der Opener “Mystery” vereint alles, was die Platte so genial macht: Experimenteller Hardcore mit Synth-Streicheleinheiten, der in nur zweieinhalb Minuten genug Platz für eine einzige riesengroße Hymne lässt. Und weil nicht nur Turnstile, sondern scheinbar auch ihr ganzer Dunstkreis genial sind, haben einige Mitglieder mit Justice Tripp von Trapped Under Ice als Angel Du$t noch das beste Pop-Punk-Album des Jahres rausgehauen. Das ist zwischen zuckfreien Singalongs, lässigem Tom Petty-Vibe und dreckig-verzerrten Gitarren, so facettenreich und bunt, dass es sich ungefähr so anfühlt, wie mit einem Blumenstrauß verprügelt zu werden.

Keine gute Top-10-Liste kommt ohne Australier aus. Meine neuen Lieblinge: Pist Idiots aus Sydney, die mit ihrem Pub Rock das beste von Midnight Oil und Cosmic Psychos vereinen. Auf ihrem Debüt “Idiocracy” funktionieren so von Herzschmerz bis hin zu bissiger Gesellschaftskritik sämtliche Gefühlsausbrüche auf der Bühne im Hinterhofpub. Nicht weniger liebenswert: Amyl And The Sniffers aus Melbourne. Die werden nämlich immer besser und toppten mit “Comfort To Me” (und dem schrecklichsten Cover des Jahres) einfach mal ihr schon grandioses Debüt. Bestes Beispiel: Das unermüdlich pumpende “Hertz”. Dass DZ Deathrays aus Brisbane und Sydney immer noch nicht der Erfolg zuteil wird, den das hart arbeitende Trio verdient, ist wie so vieles der Pandemie geschuldet. Die Band musste ihre bisher größte Tour durch Europa abbrechen, fand aber dafür Zeit direkt das nächste Album aufzunehmen – wie mir Frontmann Shane Parsons im Interview verriert. Nicht dass, sie erst “Positive Rising: Part 2” herausgebracht hätten, auf dem sie schon mit Tracks wie “Kereosene” 90s-Indie-Nostalgie, Härte und Hymne gezielt vereinen.

Ebenfalls durfte ich mit Nathan Williams, dem Mastermind von Wavves sprechen. Neben Sopranos, Seinfeld und Whiskey ging es natürlich auch um ihr neues Album “Hideaway” – das beste seit langem der Kalifornier. Maßgeblich dafür ist wieder Williams’ Erfolgsrezept aus melodisch-sonnigen Hooks, Weezer-Charme und rauen Singalongs wie in “Help Is On The Way”.

Dank dem schwedischen Free-Jazz-Trio IH3, das mit Viagra-Boys-Frontmann Sebsatian Murphy zusammenarbeitet, wollte ich 2021 nutzen mein begrenztes Jazz-Wissen zu erweitern. Ob Bizarro-Free-Jazz der beste Einstieg dafür ist, sei mal dahingestellt, aber auf der Suche nach sämtlichen Sun Ra-Platten, stolperte ich über die wahnsinnige Energie, die das Jazz-Fusion-Afrobeat-Kollektiv Sons Of Kemet auf ihrem neuestes Album “Black To The Future” entfesselt – und bin jetzt so richtig hooked. Danke an Groove City in Hamburg fürs Empfehlen. Guter Vorsatz für 2022: Weitermachen.

Playlist: Die 10 Songs des Jahres von Jonas Silbermann-Schön