Was habe ich in diesem Jahr eine richtig gute Hardcore-Platte vermisst! Wenigstens auf Converge ist Verlass, wenn auch indirekt: Kurt Ballou hat einen Remix der 1999er “The Poacher Diaries”-Sessions angefertigt und so eröffne ich meine zehn Songs mit “This Is Mine (Redux)” und wünsche mir von 2023 direkt mehr neue Musik dieses Kalibers. Schwester im Geiste, Chelsea Wolfe hat für den Slasher-Film “X” mit Jenna Ortega in der Hauptrolle derweil das schaurig schöne “Oui Oui Marie” beigesteuert.
Überraschend frischen Töne kommen im Oktober ausgerechnet von einem alten Haudegen wie Iggy Pop, der ja zum Glück doch nur so alt ist, wie er sich fühlt. So ist “Frenzy” ein irrer Punkbrecher, in dem Pop so alterslos und herrlich angepisst klingt, wie lange nicht mehr. Die spannendste Neuentdeckung des Jahres sind für mich die kaltschnäuzigen Up-Tempo-Spoken-Word-Rants von Yard Act, so wie in “The Overload”. Eine ähnlich scharfe Zunge lassen Wet Leg auf ihrem gleichnamigen Debüt-Album in Songs wie “Wet Dream” los.
Sobald ich den Namen des nächsten Musikers nenne, höre ich meine Kollegen im Geiste stöhnen, aber es nützt alles nichts: Jack White gehört bei mir dieses Jahr auf jede Liste und ja, da kann ich auch mal länger drüber abnerden. Ich mach es an dieser Stelle kurz: Einer der besten Songs seines Akustikalbums “Entering Heaven Alive” ist “Love Is Selfish”. Ebenfalls grandios reduziert ist die Demoversion von PJ Harveys “Man-Size”. Der Song selbst ist bereits vom 1993er Album “Rid Of Me”, kommt im diesjährigen Demo, ohne Schlagzeug und Bass, jedoch nochmal mit ganz neuer Stärke zur Geltung.
Mit Songs wie “Cold Day In The Sun”, Teil der Compilation “The Essential Foo Fighters” setzt die Band ihrem im Mai verstorbenen Schlagzeuger Taylor Hawkins ein Denkmal. Seit Chris Cornell hat mich der Tod eines Musikers nicht mehr so mitgenommen, Rest In Peace, Taylor! Auch Frank Turner verabschiedet sich mit “A Wave Across A Bay” von einem zu früh gegangenen Freund: Frightened Rabbit-Frontmann Scott Hutchison. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich an das Lichtermeer im Publikum in der Columbiahalle denke, als Turner den Song während seines Lost Evenings Festivals im September live spielt. Am Ende bleibt nur zu hoffen, was Phoebe Bridgers im Merle-Haggard-Cover “If We Make It Through December” so zauberhaft besingt: “If we make it through December, we’ll be fine.”