Kaum zu glauben, aber 2024 war noch anstrengender als das Jahr zuvor. Der permanente Krisenmodus, der das Leben seit Corona bestimmt, hat sich dieses Jahr verschärft. Wenig verwunderlich, dass einem das den Atem raubt und Angst einjagt. Beide Gefühle fängt “Starburster” von Fontaines D.C. ein, die mit ihrem Album “Romance” erneut überzeugen konnten.
Restlos überzeugt hat auch Kim Gordon mit ihrem zweiten Soloalbum “The Collective”. Zwei Dinge legt diese Platte nahe: Während Gordon neugierig und wach wirkt, versuchen sich ihre Ex-Sonic Youth-Bandmates lieber an mehr vom Gleichen. Und: Es muss einem nicht bange vor dem Alter sein, aber bis zum finalen “BYE BYE” ist es hoffentlich noch lange. So wie sich Gordon ihre Neugier erhalten hat, bewahrt sich Kim Deal ihre Unangepasstheit. “Disobedience” ist der größte Breeders-Moment auf Deals erstem Soloalbum “Nobody Loves You More”, mit dem sie sich von ihrem Freund Steve Albini verabschiedet. Zusammen mit dem wahnsinnig charmanten Konzert der Breeders in Köln gehen so schon zwei Momente des Jahres auf Deals Konto.
“Woanders is’ auch scheiße!”, sagt man im Ruhrgebiet, wenn jemand die Schönheit von Perlen wie Essen, Mülheim oder Gelsenkirchen anzweifelt. Pissed Jeans haben dieses Gefühl nun in einen Song gegossen: “Everywhere Is Bad” vom Album “Half Divorced” macht sich über alle lustig, die meinen, ihr Glück nur an einem Ort finden zu können, der instagramable ist. Nicht so humorvoll, aber mindestens so räudig klingt “Halsgericht”, die erste Single vom neuen Mantar-Album “Post Apocalyptic Depression”, das im Februar erscheint. Zwei Erkenntnisse liefert der Song: Mantar sollten öfter Deutsch singen und so sehr nach Kvelertak wie bei diesem Song klangen sie noch nie. Kein schlechtes Omen für die gemeinsame Tour der Bands im Frühjahr 2025, die für Kvelertak leider die vorerst letzte sein wird.
Wechseln wir Klangfarbe und Stimmung. Les Big Byrd, Schwedens zweitbeste Band neben den Viagra Boys, haben mit “Diamonds, Rhinestones And Hard Rain” auch dieses Jahr ein wunderbares Album gemacht. Dessen Closer “The Night Bus” verfügt über eine der prägnantesten Basslinien des Jahres und eine Moondog-Hommage, die so unvermittelt auftaucht, dass Bass und Drums einen erst wieder Richtung Unendlichkeit schaukeln müssen. Bleiben wir bei repetitiven Beats. WhoMadeWho, vor 20 Jahren als Disco-Punks gestartet, ist mit “Miracle” ein echter Clubbanger gelungen. Die Mischung aus stumpfer Abfahrt und großem Popmoment bekommt mich jedes Mal. Das gilt auch für James Murphy und sein LCD Soundsystem. Vielleicht schafft Murphy es 2025, ein Album zu veröffentlichen und endlich wieder in Deutschland aufzutreten. Die Single “X-Ray Eyes” macht jedenfalls Lust auf mehr.
Zeit, langsam das Licht auszuknipsen wie Metz. Die veröffentlichen erst eines der besten Alben des Jahres und ihrer Karriere und ziehen kurz danach den Stecker. Hört man sich “Light Your Way Home”, den Closer von “Up On Gravity Hill”, mit diesem Wissen an, ist ihr Ende nicht mehr so überraschend, aber weiter schmerzhaft. Schmerzhaft könnte es auch 2025 werden, wenn Deutschland einen neuen Bundestag wählt. Tocotronic warnen mit “Denn sie wissen was sie tun” mit aller Nachdrücklichkeit vor Parteien, die einem das Blaue vom Himmel versprechen. Die “Golden Years”, die sie mit ihrem kommenden Album ankündigen, scheinen mir allerdings vorbei zu sein.