Vom Mainstream dominierte Veranstaltungen wie diese sind nicht für jeden etwas. Aber selbst diejenigen unter uns, die immer wieder mit Interesse beobachten, wie sich Acts aus dem VISIONS-Kontext in der Welt der großen Popstars schlagen, werden enttäuscht gewesen sein über den gestrigen Fernsehabend. Erster Kritikpunkt ist sicherlich Moderator P. Diddy. Wo in den Vorjahren Weichspüler Ronan Keating oder der englische Komiker Ali G. ihre Sache einigermaßen würdevoll über die Bühne brachten, fehlte dem HipHopper jeder Stil. Er machte unpassende Witze über Winona Ryder, schenkte der ersten Frau, die nackt auf die Bühne stieg, einen Diamantring und prahlte mit seiner mangelnden Bildung, in dem er dem Publikum aus einem spanischen Wörterbuch vorlas. Warum europäische Music Awards nicht traditionell durch jemanden von diesem Kontinent präsentiert werden, bleibt vor allem bei einem so niedrigen Niveau rätselhaft. Die zahlreichen namhaften Präsentatoren glänzten dann hauptsächlich durch unlustige Pointen, die sie vom Teleprompter ablasen, während die Auftritte der ohne Zweifel hochkarätigen Acts im zu großen Rund des Palau Sant Jordi untergingen. Selbst Massenentertainer Robbie Williams hatte seine liebe Mühe, das Fass zum Überlaufen zu bringen, während die Elektrokünstler Royksopp gänzlich deplaziert wirkten. Einzig aus dem Rahmen stachen die Auftritte der angenehm uncoolen Coldplay und den eiskalt rockenden Foo Fighters, deren Frontmann Dave Grohl es sich nicht nehmen ließ, den Ketchup Song für ein paar Takte anzustimmen. Am lieblosen Abhaken der einzelnen Programmpunkte änderte das aber nichts. Und die anfänglichen, löblichen Vorhaben der EMAs wirken meilenweit entfernt. So hat man wohl dieses Mal schlicht vergessen, die jeweilige Austragungsstadt auch während der Zeremonie ein wenig kulturell darzustellen. Barcelona feiert 2002 immerhin das Gaudi-Jahr und ehrt damit einen der interessantesten Künstler überhaupt. Aber dessen Potenzial wurde ja auch erst an seinem Lebensende erkannt. Die Trophäen ansich haben leider auch nur noch wenig mit künstlerischer Innovation zu tun. Man konzentriert sich immer mehr auf die Big-Player wie Eminem (drei Preise) oder Kylie Minogue (zwei Preise). Da wirkte der Best Video-Award für Royksopp fast wie ein kleiner Witz. Aber im Gegensatz zum großen Bruder in Amerika, den MTV Video Music Awards, bei denen eine rätselhafte Jury über Gewinner und Verlierer entscheidet, stimmen bei den EMAs ja angeblich die Zuschauer ab. Und da wir die Urteilskraft des gemeinen Musikhörers nicht anzweifeln wollen, kommen wir nun kommentarlos zu den Preisträgern: Best Group: Linkin Park Best RnB: Alicia KeysBest Pop: Kylie MinogueBest Male: Eminem Best Live Act: Red Hot Chili Peppers Best Web Award: Moby Best Female: Jennifer LopezBest New Act: The Calling Best Song: Pink mit Get The Party Started Best Hard Rock: Linkin ParkBest HipHop: Eminem Best Album: Eminem mit The Eminem Show Best Dance: Kylie Minogue Best Rock: Red Hot Chili PeppersBest Video: Royksopp mit Remind Me Best UK & Ireland Act: ColdplayBest German Act: Xavier NaidooJochen Schliemann