Gogogo, Miles!
Wir stehen im Münchner Proberaum und rollen Kabel ein, stapeln Boxen und verpacken Gitarren: Miles macht los zur DONT LET THE COLD IN Tour. Ein “2003” möchte ich fast anfügen, ha – also, ich hätte mir ja so richtig klassische Tourshirts gewünscht, mit Bandfotoprint drauf und auf dem Rücken alle Daten, so untereinander.
Und, ja, ich halte mich für geschmackssicher. Weil Mädchen nicht so doll Verstärker schleppen können – diesen Eindruck kann ich seit Jahren glänzend aufrecht erhalten – werde ich Tagebuch schreiben.
Während die anderen also den Tourbus “Highwaytiger” vollschichten, tippe ich ein wenig. Ok, klassischerweise sollte jetzt eine kurze Einleitung folgen. Ich werd mich dran versuchen, nachdem ich mir ein Zigarette aus Ronnys Jackentasche gestohlen habe… noch Feuer, jetzt kanns losgehen.
Wir vier Mileser haben ja die letzten eineinhalb Jahre über diese Platte aufgenommen. Diese, die nun am 12. Mai veröffentlicht wurde und DONT LET THE COLD IN heißt. Und auf die wir schon recht stolz sind – wir haben uns vom Plattenfirmen-Trouble nicht trübselig machen lassen, sondern nun das Baby zusammen mit Arne und Nois-o-lution in die Plattenläden gebracht.
Naja, und das hier ist also die dazugehörige Tour. Gute drei Wochen einmal um den Block, inklusive Freunde treffen: Die räudigen Virginia Jetzt! werden in Wien mit uns sein, in Wiesbaden und beim Immergut. Ansonsten haben sich auch noch etliche Verwandte und Bekannte eingezeckt… ob das mal gut geht?
Aus Berlin angereist sind Ronny und Gilbert, im Handgepäck zwei Typen (Hab festgestellt, das es viel cooler ist, nicht TÜÜP sondern TEIP zu sagen. In der Mehrzahl allerdings haut das nicht so doll hin. Deswegen TÜÜPEN.), die uns die nächsten Wochen über an den Hacken hängen werden. Nee, nicht die Fans aus Würzburg. The THE TRICHTER AND BOTANIK sind Supportband und teilen sich den Bus mit uns. Was wohl auch bedeutet, dass wir ihnen vom Catering abgeben müssen. Mist! Hätte uns das doch jemand vorher gesagt. Jetzt ist aber zu spät und wir machen gute Miene zum Spiel der beiden. Die sind nämlich ein Duo und deswegen beliebt als Supportband: Wenig Stress mit Umbau.
Tja, und als dann alle Rocksachen und Reisetaschen im Bus tetris-artig eingeladen sind, steht dann noch Sigi da. Sigi kam mit aus Berlin, ist Manager und Hundebesitzer. Genau, das wär eigentlich die richtige Reihenfolge: Gustav ist mit Sigi da, nicht andersherum. Gustav ist ein Terrier und hat mindestens soviel Gepäck wie Tobi und ich, und das will was heißen: Schlafkörbchen, Reisekörbchen, Bällchen, Näpfe… und so weiter. Und so fort.
Sigi verbreitet gleich mal gute Laune im Bus: Hallo, ich bins, euer Sigi, lacht er und schiebt sich seine Brille zurecht. Er wird uns Österreich über erhalten bleiben.
Zur permanenten Miles-Besetzung zählen dann noch Hubi (in zärtlichen Momenten auch gern Hubsi) und Pese.
Hubi zieht manchmal sein rechtes Bein etwas nach, aber das ist nicht schlimm für seine Arbeit auf Tour: Er “macht Sound”, ist also der “Mischer”, wenn schon kein “Mixer”. Das Auf- und Abbauen, Gitarrestimmen, Pleks wieder einsammeln und, wos nötig ist, dritte Gitarre spielen, besorgt uns der Pese. Der ist Gold wert, weil er extrem zuverlässig ist und noch dazu schick aussieht, was einen ganz guten Eindruck auf das Publikum machen mag: “Wow. Die Miles haben sogar nen Backliner. Hey, und der trägt echt funky Sonnenbrille, klasse.”
So… das wär dann mal die Besetzung unserer kleinen Kapelle und Busgemeinschaft, inklusive Ronny Rock, Tobi, Gilbert und mir. Neun Leute on the road. Plus Hund. Darauf muss ich noch eine rauchen, erstmal. Hippykommune ist´n Scheißdreck dagegen, würde ich mal sagen. Bin mal gespannt, was geht.
Probetag in Röda, Steyr, Österreich (15.05.).
Um den Staub seit der letzten Tour – Hier Platz für ein bisschen angeben: Im Frühjahr waren wir mit Supergrass unterwegs. Ha, und wir wissen jetzt auch, warum die Band so heißt!– von den Gitarren zu putzen, haben wir uns schon einen Tag früher im Röda angemeldet. Ich war da ja noch nie, aber alle anderen schwärmen sehr. Schnitzel, jubilieren sie, himmlische Schnitzel. Super, sagt der Vegetarier. Und so toll nette Leute, rufen sie. Fein, sagt der Vegetarier, der mitunter auch ein Philanthrop sein kann.
Wir werden vom Steif begrüsst.. Dieser Name gründet nich nicht auf irgendein körperliches Gebrechen oder eine Wesensart, sondern auf seinen bürgerlichen Namen Stefan. Steif soll uns einleuchten, heute. Also, ungefähr festlegen, wann die Pyroshow abzufackeln ist oder wann die Windmaschinen angeworfen werden sollen.
Wir proben etwas das Set – Ronny muss üben, über Kopfhörer Playback UND Klick zu hören, was jedes Mal von neuem, also, bei jeder Tour, immer wieder für phänomenale neuartige Erkenntnisse über menschliches Hör- und Adaptionsvermögen sorgt.
Während wir also in der Halle laut machen, unterhält sich Sigi mit Katie und Sophie, die quasi im Röda wohnen. Was wir aber auch tun: Im ersten Stock gibt es Zimmer-gemäß-evangelischer-Landjugend-Freizeiten-mit-Stockbetten, da schlafen wir. Gekocht wird in der Küche, klar, aber was: Der uneheliche Sohn von Alfie Biolek und Jamie Oliver, das ist Sigismund Schuller, und der zaubert kulinarisches, jui!
Im Röda waren vor kurzem die Novas (International, soviel Zeit muss sein, wie Matze zu sagen pflegt), es hängen noch Plakate rum und Katie erzählt nur nettes.
Überhaupt, es ist des Musikers wahres Glück, auf so prima Veranstalter zu treffen. Katie und Sophie adoptieren uns förmlich. “Eigentlich bin ich auch immer auf Tour”, sagt Katie, “bloss dass sich nicht der Ort ändert, sondern die Bands.” Hey, ist das nicht ne klasse Einstellung?
Inzwischen sind alle Verstärker eingepegelt und Songabläufe auswendig gelernt – Tobi sitzt im Rödabiergarten mit Textblättern und versucht sich zu merken, was er singen soll – und wir warten auf morgen. Tourstart, ole.
Abends wird noch hübsch Fussball geguckt und ein paar Fürther Greuther werden leicht übermütig: Hubi identifiziert sich mit seinem Heimatverein mehr als gesund ist.
Es geht los, geht es los? Röda, Steyr (16.05.).
Jaha, Tourstart jetzt also. Wir stehen aber nicht unbedingt früher auf, deswegen – der Soundcheck ist ja schon passiert. Deshalb wird gemeinschaftlich gefrühstückt und der Klassenreisencharakter gepflegt.
Ein paar gehen in die Stadt und gucken Steyrer, der Rest sitzt in der Sonne.
Als es dann Nachmittag wird, kommen schon die ersten Gäste: Ein paar präpubertäre plusminus zwölf auf so doofen Kickrollern. Oder wie die heißen. Naja, das ist die Generation, die morgen unsere Platten kaufen soll, denken wir. Deshalb sind wir nett und werden dafür umso vehementer umkreist. Ein ziemlich vorwitziger Kleiner plant eine Karriere als Comedian und übt schon mal: “Was ist die Mehrzahl von Frau?” Fragt er. Wir zucken mit den Schultern. “Putzkolonne!” ruft der Mob und der junge Karl Dall lässt sich feiern ob seines Erfolges. Katy erzählt uns, dass seine Mutter eine – wohl rothaarig gefärbt? – Hippiefrau ist, die nicht an Verhütung glaubt. Wir haben ein bisschen Angst, wegen der Zukunft und so.