Gegenüber dem Rolling Stone berichten zwölf weitere Frauen von sexuellen Übergriffen von Anti-Flag-Frontmann Justin Sane alias Justin Geever. Erstmalig wurden Anschuldigungen gegen Geever im Juli in einem Podcast öffentlich, in dem die New Yorker Therapeutin Kristina Sarhadi von ihrem Zusammentreffen 2010 mit Geever berichtete. Darin warf Sarhadi dem Sänger, der im Podcast nicht namentlich genannt wurde, sexuelle Gewalt und Vergewaltigung vor. Gegenüber dem Rolling Stone bestätigte Sarhadi nun, dass es sich bei den von ihr beschriebenen Täter um Geever handelte. Der wies die Vorwürfe wenige Tage nach Erscheinen des Podcasts zurück. Die nun bekannt gewordenen neuen Fälle sollen sich zwischen den 1990ern und 2020ern abgespielt haben. Geever wird dabei sexuelle Nötigung, Vergewaltigung und sexueller Missbrauch an Minderjährigen vorgeworfen.
Gleich mehrere der betroffenen Frauen behaupten, dass Geever sie zu sexuellen Handlungen gegen ihren Willen gezwungen habe. Eines der vermeintlichen Opfer, die unter dem Namen Suzanne auftritt, berichtet, dass sie als 17-Jährige eine einvernehmliche Beziehung mit Geever eingegangen sei. Geever behauptete ihr gegenüber jedoch angeblich, dass er selbst erst 19 Jahre alt war – Berichten zufolge war Geever zu diesem Zeitpunkt bereits 30. Sieben weitere der zwölf Frauen berichten, dass sie noch Teenager gewesen seien, als Geever sie zu sexuellen Handlungen verführt habe. So berichtet eine Frau namens Susie, dass sie als 15-Jährige von Geever vor einem Konzert der Band in Deutschland zum Sex bewegt wurde. Im Anschluss soll er ihr verboten haben, jemandem vom Treffen zu erzählen.
Eine offizielle Anzeige gegen Geever sei 2020 in Großbritannien eingereicht worden. Darin berichtet das vermeintliche Opfer Hannah Stark, dass sie von Geever gefesselt, geschlagen und zum Oralsex gezwungen wurde, ohne eingewilligt zu haben. Stark berichtet weiter, dass sie eine Zeugenliste und Beweise eingereicht habe, die Anklage jedoch fallengelassen wurde, da Stark zu keinem Zeitpunkt “Nein” gegenüber Geever gesagt habe. Stark berichtet weiter, dass sie im März 2022 einen anonymen Post auf Tumblr erstellt habe, in dem sie von ihren negativen Erfahrungen mit Geever berichtete. Dieser Post war auch für Sarhadi entscheidend: Sie nennt ihn als Grund, warum sie ihre Erfahrungen erstmalig öffentlich in dem Podcast geteilt hatte.
Im Zuge der Veröffentlichung des Podcasts hat sich außerdem Tali Weller gemeldet, die nach eigener Aussage mit Geever in ihrer Jugend in einer Kirchengruppe war. Als 12-Jährige habe sie mit dem damals 17-Jährigen erste sexuelle Erfahrungen gemacht: “Ich erinnere mich, dass ich mich beim Sex nicht wohlfühlte”, erzählt Weller. “Seine Antwort war Analsex.” Weller berichtet weiter, dass die Erfahrungen sie in ihrer sexuellen Entwicklung und Auslebung bis heute beeinträchtigten.
Die Betroffenen erläutern, dass sie erst jetzt mit ihren Anschuldigungen an die Öffentlichkeit getreten sind, da sie die Taten lange Zeit nicht als problematisch angesehen haben – sie seien allesamt Fans von Geever und Anti-Flag gewesen. Auch Sarhadi berichtet, dass sie sich nicht getraut hatte, die Vorwürfe früher zu veröffentlichen, weil Anti-Flag sich über Jahrzehnte öffentlich gegen Vergewaltigungen ausgesprochen hatten: “Ich hatte keine Ahnung, dass es noch andere Opfer gab. Ich fühlte mich dumm, beschämt und verwirrt […]”, so Sarhadi. “Er ist der Anti-Vergewaltigungssänger. […] Aber selbst in der Natur haben die schlimmsten Raubtiere die beste Tarnung.”
Die erwähnten Frauen ebenso wie zahlreiche Fans werfen den verbliebenen Bandmitgliedern eine Mitschuld vor und behaupten, dass sie bei einigen der Vorfälle mit anwesend gewesen seien, als Geever die teilweise minderjährigen Frauen ins Backstage geholt habe. Weder die Bandmitglieder noch Geever haben sich bislang zu den neuen Vorwürfen geäußert. Bereits im Juli gab die Band ihre Auflösung bekannt – wenige Stunden nach dem Erscheinen des Podcasts – und distanzierte sich von Geever und seinen vermeintlichen Taten. Einige Bands beendeten zudem die Zusammenarbeit mit dem Anti-Flag-Label.