Auf seinem Blog “The Red Hand Files” beantwortet Nick Cave die Frage eines Fans, wie er die Kunst vom Künstler im Falle von Kanye West trennen könne. Bevor Cave ausführlich darauf eingeht, distanziert er sich zunächst von Wests antisemitischen Ansichten: “Es wurde viel Zeit und Energie darauf verwendet, das Böse des Antisemitismus zu erklären, warum es falsch ist, T-Shirts mit Hakenkreuzen zu verkaufen und warum es inakzeptabel ist, seine Freundin zu zwingen, nackt auf dem roten Teppich der Grammys zu stehen. In dieser Frage, so scheint es, können wir alle eine gemeinsame Basis finden. Ich stimme zu.”
Weiter führt Cave allerdings aus, dass man die Kunst in gewisser Weise vom Künstler trennen sollte: “Das große Geschenk der Kunst ist jedoch, das Potenzial des Künstlers, sein inneres Chaos auszugraben und es in etwas Erhabenes zu verwandeln. Das ist es, was Kanye tut. […] Der bemerkenswerte Nutzen der Kunst liegt in ihrer Kühnheit, unseren verdorbenen Zustand zu verklären und etwas Schönes zu erschaffen.”
Cave beschreibt, dass er aus seinen eigenen negativen Erfahrungen Ideen für seine Musik schöpft und dies bei West wohl nach ähnlichen Mustern verlaufen würde: “In seiner Gebrochenheit ist Kanye ein Musterbeispiel par excellence für diesen Gedanken, den geflochtenen Tanz zwischen Sünde, Transzendenz und Genialität. Wir sind alle gebrochene, fehlerhafte und leidende Menschen, jeder für sich eine Katastrophe, jeder mit der Fähigkeit, großen Schaden anzurichten, jeder voller fehlgeleiteter Vorstellungen, von denen die vielleicht verrückteste der Glaube ist, dass wir irgendwie exklusiv und moralisch allen anderen überlegen sind.” Weiter schreibt Cave, dass vermutlich jeder Mensch in ähnliche Richtungen abdriften könnte, wie West.
Nick Cave will auch weiterhin Kanye West hören
Abschließend hält Cave fest, dass er auch weiterhin an Wests Kunst festhalten wird, auch wenn er dessen persönliche Ansichten nicht teilt: “So verabscheuungswürdig und enttäuschend viele von Kanyes Ansichten auch sind, und so widerwärtig der Antisemitismus ist – in seinen leider immer präsenten, sich ständig wandelnden Formen, so sehr bemühe ich mich, Schönheit zu suchen, wo immer sie sich zeigt. Dabei widerstrebt es mir, das Beste von uns zu entwerten, um das Schlechteste zu betrafen.”
Cave hatte Ende Januar auf seinem Blog davon gesprochen, dass er “I Am A God” von West auf seiner Beerdigung laufen lassen möchte. Bereits vorher war West mehrfach durch etwa rassistische und antisemitische Aussagen aufgefallen, vergangene Woche erreichten seine Äußerungen aber neue Abgründe: So ließ West im Rahmen des Superbowls einen Werbespot laufen, der darauf hinwies, dass er ab sofort Hakenkreuz-Shirts in seinem Online-Shop verkaufen würde. Besagter Shop wurde mittlerweile vom Betreiber Shopify offline genommen.
Vorausgegangen war dieser Aktion ein weiterer Stunt im Rahmen der Grammy-Verleihung: Dort tauchte West mit seiner Frau Bianca Censori auf, die, bis auf ein durchsichtiges Kleid, nackt war. Auf X wurde West zuletzt ebenfalls immer expliziter in seinem Antisemitismus und ließ unter anderem verlauten: “Ich bin ein Nazi. Ich liebe Hitler.” Sein Account auf der Plattform wurde in diesem Zuge kurzzeitig gesperrt, allerdings, da der Rapper pornografische Inhalte teilte. Mittlerweile postet Kanye West wieder seine kruden Ansichten und spricht davon, dass er die Idee mit dem Hakenkreuz-Shirt schon seit über acht Jahre hatte.