Tag 1 / Peking
8:00 Uhr: Nach frühmorgendlicher Landung und ausgiebigem Sightseeing (Platz des himmlischen Friedens und Verbotene Stadt) verspricht das Konzert im MAO-Club zumindest laut Plakat bemerkenswert zu werden: Unter einem “Classic Rock’n’Roll”-Banner versammeln sich Lemmy Kilmister, Jimmy Hendrix, Marilyn Monroe, Slash (auf einem Fahrrad!) und eine Band, die wie eine Kreuzung aus den Ramones und Kiss aussieht, neben Kim Jong Ill, der sich an den flammenden Schulbus hängt, in dem alle fahren. Wenn das Konzert nur halb so spannend wird, sind wir zufrieden.
3:00 Uhr: Der erste Tourtag ist für einen Teil von uns mit fast 48 Stunden ohne Schlaf immer noch nicht vorbei. Im Mao-Club treffen wir unsere Freunde von Fanzui Xiangfa, mit denen wir vor zwei Jahren in Deutschland gespielt haben. Nachdem wir als erste Band eine recht ordentliche Show vor einigen Hundert (!!!) Chinesen, die brav gejubelt und mitgeklatscht haben, entführen sie uns in ein echtes, chinesisches Restaurant im ersten Stock eines Hinterhofes einer Seitenstrasse. Unfassbar lecker und logischerweise nicht mal ansatzweise mit dem vergleichbar, was man in Deutschland in chinesischen Restaurants bekommt. Spontan beschließen wir spät in der Nacht gemeinsam noch bei einem Konzert einer weiteren befreundeten Band mitzuspielen. Das Konzert findet in einem Club namens School statt, der einem Mitglied von Chinas bekanntester Punkband Joyside gehört. Nach drei eher softteren Bands, von denen Penicillin dank Beatles-Look und guter Bühnenaction in Erinnerung blieben, spielten wir ein sehr kurzes und sehr wildes Set ohne Bass, der beim ersten Lied kaputtging. Danach die coolen Hardcore-Punks von Fanzui Xiangfa (Foto) zum Teil mit nacktem Bassisten. Als wir gegen drei Uhr nachts im Dream Hostels in die schmierigen Etagenbetten fallen, können wir kaum glauben, dass wir erst einen Tag in China sind. Guter Tag war das.
Tag 2 / Große Mauer
15:00 Uhr: Nach sechs Stunden Schlaf um neun von der rabiaten Putzkraft geweckt und kurz frisch gemacht, denn um zehn ging’s dank Day Off los zur Großen Mauer. Wir besuchen den nicht ganz so Touri-überfüllten Teil der Mauer in Mutianyu und gönnen uns eine Auffahrt mit der Seilbahn. Auf dem wahrlich beeindruckenden anti-mongolischen Schutzwall wandern wir auf und ab zum Teil über sehr steile, hohe Treppen… Hinab gehts per Sommerrodelbahn, was cool gewesen sein könnte, wenn die Typen vor uns nicht alle paar Meter gestoppt hätten. Dennoch alles cool bei strahlendem Sonnenschein. So richtig können wir noch nicht realisieren, dass wir jetzt mit unserer kleinen Band in China sind. Jetzt gerade im Auto mit der ausschließlich chinesisch-sprechenden und sich trotz Navi ständig verfahrenden Fahrerin zurück in den Moloch Beijing.
Tag 3 / Zugfahrt nach Shanghai
15.30 Uhr: Den Tag gestern verbrachten wir noch in einer Shopping Mall voller gefälschter Markenklamotten und mit Tour-Promoter “Paul” (sein chinesischer Name ist unaussprechlich, so dass er sich für alle Ausländer “Paul” nennt – offenbar eine völlig willkürliche Namenswahl) und unserem Kumpel Nevin in einem Hot-Pot-Restaurant. Beim Hot-Pot-Essen bekommt man über einem Gaskocher im Tisch eine scharfe Brühe serviert, in die man sich Zutaten nach Wahl bestellt und diese kurz gart und in Sesamsoße tunkt. Üblicherweise natürlich viel Fleisch, aber auch die vegane Variante war cool. Das Restaurant an sich allerdings sehr trashig: eher im Mittelalter-Stil mit Rüstungen und Schwertern an der Wand und Separees, die mit Holz und Gußeisen abgetrennt sind; dafür aber auf jed Tisch ein Flatscreen-TV mit Unterschichten-Fernsehen. Nicht ganz unser Style, aber hier wird Entertainment eh groß geschrieben. Vorgestern im durchaus alternativen “School”-Club spielten nicht nur 5 Bands, sondern lief parallel an der Wand italienischer Fußball, sowie ein paar Gameshows auf mehreren Fernsehern. Immer lief auf den TVs dasselbe Programm.
Nach einer kurzen Nacht war heut morgen um 6:30 Uhr Abfahrt am Hostel. Am Bahnhof angekommen, dauerte der Kauf unserer Bahntickets für den Hochgeschwindigkeits-Zug ins 1.500 km (?) entfernte Shanghai locker über zwei Stunden. In China braucht man Geduld, aber im Zug sind wir. Der unterscheidet sich übrigens nicht wirklich von einem ICE oder TGV – außer dass die Uniförmchen der Zugbegleiterinnen hier schicker sind. In einer halben Stunde Ankunft in Peking, einchecken im Hotel und um 17 Uhr Soundcheck. Konzert beginnt um 20 Uhr. So zumindest der Plan. Aber das heißt erstmal nichts….