Ein wenig schade wäre es doch tatsächlich, würde das seit Jahren angekündigte neue Guns N’Roses-Album wirklich erscheinen; wäre es materiell verfügbar, für jedermann hörbar. Denn ein Mythos ist schließlich etwas Schönes, nimmt man ihn ernst – und wenn nicht bietet er immer noch genügend Unterhaltungswert. Die Anzeichen, dass die mittlerweile zum Solo-Projekt” von Sänger Axl W. Rose geschrumpfte Band 15 Jahre nach dem Doppelschlag “Use Your Illussion I & II” nun den offiziellen Nachfolger (das Cover-Album “The Spaghetti Incident?” nicht mitgerechnet) präsentiert, verdichten sich Woche für Woche.
Bereits seit einiger Zeit geistern einige Demo- und Liveversionen von Songs des Albums durchs Netz. Titel wie “IRS”, “Madagascar”, “The Blues” oder “TWAT (There Was A Time”) zeugen dabei zumindest von vorhandenem Liedgut. Der Perfektionismus von Axl Rose, die ins unendliche gesteigerten Erwartungen der Musikhörer an das bislang ca. 13 Millionen Dollar teure Album und die damit verbundene Gefahr der Blamage ließen es aber fraglich, ob das aufgenommene Material jemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken würde. Festivalzusagen und Versprechen von Rose genügen schon lange nicht mehr, um selbst optimistische Zeitgenossen davon zu überzeugen, dass da wirklich etwas kommen wird.
Seit gestern bekommen die Gerüchte um eine baldige Veröffentlichung jedoch wieder neue Nahrung: Das US-Musikmagazin Spin veröffentlicht eine Rezension zum Album, bei der es sich anscheinend nicht um einen Aprilscherz handelt (der auch zu früh kommen würde). Das Fazit überrascht nicht unbedingt: Es sei “NICHT das größte Rock Album, das jemals aufgenommen wurde”. Dennoch zeigt sich Chuck Klosterman angetan. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass Song-Vergleiche mit “Stevie Wonder in seiner mittleren Periode”, “Billy Joel” oder dem “frühen Elton John” gezogen werden, Rose hatte dies bereits angedeutet, aber Klosterman kann neben allem ausschweifenden und epischem Bombast ebenfalls einige Rock-Songs darauf finden. Doch macht er auch einige peinliche Momente aus – dass eine 14-minütige Rap-Rock Hymne mit dem Titel “Pound You (Good)” dazu gehören soll, ist nicht allzu erstaunlich.
Vom Rap scheint Rose auch das dissen gelernt zu haben, so zitiert der Text eine Zeile aus dem Song “Slash and Burned”, bei dem Rose gegen die neue Band seiner ehemaligen Kollegen Slash, McKagan und Sorum, Velvet Revolver loslege: “Your singer has cocaine eyes and a skeletonized trance / Well see if RCA recoups their advance.” Desweiteren seien eine Version des Thin Lizzy-Klassikers “Cowboy Song” und der bereits 1987 aufgenommene Guns N’Roses-Titel “Think About You” auf dem Werk zu finden. Die komplette Kritik ist hier nachzulesen.
Sollte dem Magazin wirklich eine Version von “Chinese Democracy” vorliegen, und es sich bei dem Text um keinen Witz oder Fake handeln, bleibt ein Veröffentlichungstermin trotzdem weiterhin offen.