Seit gerade einmal einem Jahr machen Sänger Paul Boos, die beiden Gitarristen Max Gulbinowicz und Edu Foitzik, Bassist Tyrone Nalenz und Schlagzeuger Felix Martens zusammen Musik, da können This Heals Nothing schon erste Erfolge verzeichnen: Nicht nur, dass die Posthardcore-Band aus Bochum bereits im Juni ihre Debüt-EP “To Die Upon The Hand I Love” in Eigenregie veröffentlicht hat. Beim Newcomer-Contest The Unexplored von VISIONS und GIZEH konnte das Quintett unsere Redaktion kürzlich auch von ihrem emotionalen Posthardcore überzeugen, es unter die fünf besten aufstrebenden Bands schaffen und den Contest im großen Publikumsvoting schließlich für sich entscheiden.
Wir haben This Heals Nothing in Bochum besucht, um mit ihnen über ihren Sieg bei The Unexplored, den anstehenden Auftritt auf unserer VISIONS Party im Dezember und ihren melodisch-verzweifelten Posthardcore zu sprechen.
Paul, du hast This Heals Nothing vor etwa einem Jahr ins Leben gerufen. Habt ihr damit gerechnet, es beim Newcomer-Contest unter die Top Fünf zu schaffen und aus dem Publikumsvoting als Sieger hervorzugehen, obwohl ihr erst seit kurzer Zeit gemeinsam aktiv seid?
Paul Boos: “Keiner von uns hat damit gerechnet, dass wir den Contest gewinnen. Wir waren ehrlich gesagt schon überrascht, es überhaupt unter die Top Fünf zu schaffen – eben weil wir gerade erst angefangen haben, zusammen Songs zu schreiben und zu spielen. Unsere Followerzahl auf Facebook ist zum Beispiel noch sehr überschaubar, deshalb waren wir erstaunt, dass auch viele Leute für uns gestimmt haben, die wir gar nicht kannten.”
Tyrone Nalenz: “Das alles kam für uns sehr schnell. Unseren ersten Auftritt haben wir erst im Januar gespielt. Natürlich haben wir uns Hoffnungen gemacht, aber wir wussten ja auch nicht, wie stark die Konkurrenz ist. Wir freuen uns außerdem sehr, gleich mit unserer ersten EP Anklang gefunden zu haben.”
Boos: “Jeder von uns ist früher schon immer zum Kiosk gegangen, um sich das VISIONS zu kaufen. Als damals die beiden Alben von La Dispute und Touché Amoré im Heft waren, standen wir vor dem Zeitschriftenregal und haben uns gefreut wie kleine Kinder an Weihnachten, und auf einmal wählt die Redaktion einen selbst unter die fünf besten Newcomer-Bands. Das fühlt sich im ersten Moment unwirklich an. Wir freuen uns wirklich sehr darüber.”
Seid ihr mit den anderen Finalisten in Kontakt getreten?
Boos: “Ja. Noch während das Voting lief, haben wir uns mit den anderen Bands in Verbindung gesetzt. Besonders zu Morning Mode hatten wir sofort einen guten Draht. Wir haben uns angefreundet und wollen im nächsten Jahr auch zwei Konzerte in unseren jeweiligen Heimatstädten spielen, also in Mainz und Bochum.”
Eure Debüt-EP “To Die Upon The Hand I Love” ist im Juni 2016 erschienen. Warum habt ihr euch dazu entschieden, mit dem darauf enthaltenen letzten Song “Porcelaine” im Publikumsvoting anzutreten?
Boos: “Der Song hat ein offenes Ende, das auf eine gewisse Art und Weise hoffen lässt, dass es irgendwie weitergeht. Er bricht am Ende überraschend ab. Ich habe darauf gesetzt, dass die Leute den Drang verspüren, weiter hören und sich mit uns beschäftigen zu wollen.”
Nalenz: “Ich finde, dass er der härteste Song auf der EP ist, ohne das kompositorische Spektrum zu vernachlässigen, das wir in unserer Musik verarbeiten wollen. Es gibt das ruhige Instrumental am Anfang, dann bricht der Song wild aus und ebbt immer wieder auf ruhigere und melodische Passagen ab, bis er schließlich ganz abbricht.”
Dabei macht ihr keinen Hehl daraus, von welchen Bands ihr euch inspirieren lasst: Envy, Pianos Become The Teeth, La Dispute, Touché Amoré. Welche Einflüsse verarbeitet ihr darüber hinaus in eurer Musik? Fällt es euch leicht, musikalisch auf einen Nenner zu kommen?
Felix Martens: “Wir hören schon viel Rock, aber zum Beispiel auch Jazz, Klassik und Pop. Als wir uns zum ersten Mal getroffen und zusammen gejammt haben, waren wir sofort auf einer Wellenlänge. Wir mussten überhaupt nicht darüber reden, was wir wie spielen wollen. Die Dynamik zwischen uns hat von Anfang an gestimmt.”
Nalenz: “Wir sind sofort auf einen musikalischen Nenner gekommen. Als wir mit der Band angefangen haben, haben wir uns für ein Wochenende im Proberaum getroffen und aus Pauls Ideen richtige Songs geformt. Es lief direkt so, als würden wir schon ewig zusammen spielen. Was musikalische Ideen und Abläufe von Songs angeht, konnten wir sofort gut und verständlich miteinander kommunizieren. Paul war früher auch als Schlagzeuger aktiv. Als Sänger hat man nicht immer eine genaue Vorstellung davon, wie ein Instrumental-Part klingen soll. Wenn Paul eine Idee hat, kann er die am Schlagzeug auch mal eben selbst umsetzen. Dann spielt Felix den Part nach und verfeinert ihn. Das geht sehr schnell. In meiner anderen Band spiele ich zum Beispiel auch Gitarre. Deshalb kann ich mich auch gut mit Max und Edo verständigen.”
Max Gulbinowicz: “Ich habe oft das Gefühl, dass jeder von uns einfach das spielt, was er will, und sich dann alles wie von selbst zusammenfügt.”
Gerade die musikalische Ähnlichkeit zu Touché Amoré lässt sich nicht von der Hand weisen. Eure Songs sind ebenso von spät-adoleszenter Verzweiflung durchzogen wie die der Kalifornier. Welche Rolle spielt die Band für euch?
Boos: “Touché Amoré haben mich zum Posthardcore gebracht. Musik hat mich immer irgendwie gefasst, aber mit dem Song ‘Just Exist’ hat mich Jeremy Bolm emotional komplett umgehauen. Das war der Punkt, an dem ich auch Posthardcore spielen wollte. Für mich zählt zwar immer das ganze Album oder die ganze EP, die eine Band herausbringt, aber wenn du mich nach einem einzigen Song fragst, der in meinem Kopf diesen wichtigen Schalter umgelegt hat, dann ist es ‘Just Exist'”.
Nalenz: “Für mich ist die Musik wie ein Ventil. Ich habe den Drang, etwas mit Leidenschaft zu erschaffen und meine Emotionen zu verarbeiten. Das geht im Posthardcore sehr gut, die Songs klingen nun mal sehr intensiv, wütend, melodisch und emotional. Und ‘Is Survived By’ ist ein wichtiges Album für uns alle. Jeder von uns verbindet ganz verschiedene persönliche Dinge und Situationen mit der Platte. Wir haben sie auch oft auf dem Weg zu Konzerten gehört.”
Lasst ihr euch auch in Sachen Technik von der Band inspirieren?
Nalenz: “Auf jeden Fall. Wir haben uns zum Beispiel an Jeremy Bolm orientiert, wenn es darum ging, wie man mit dem Gesang einsteigt. Wir versuchen, alle unsere Einflüsse so zu verarbeiten, dass die Musik stimmig klingt – auch im Bezug auf die Instrumentals. Wann benutzt man melodiöse und wann disharmonische Gitarren? Wann gestaltet man die Musik lieber unzugänglicher, und wann verwendet man harmonische Melodien und klare Vocals, um die Zugänglichkeit zu steigern? Die Dynamik muss stimmen. Wir haben uns auf einen harmonischen Aspekt geeinigt. Wir spielen zwar gerne mit disharmonischen und krummen Takten, um einen progressiven Faktor in die Musik einzubringen. Aber grundsätzlich sind wir im Songwriting sehr harmoniebedürftig.”
Boos: “Ganz wichtig ist uns auch, dass textlich und musikalisch ein Zusammenhang besteht. Wenn man sich mit den Songs auf unserer EP beschäftigt, kann man das ganz gut feststellen. Wir wollen schon so etwas wie ein Konzept haben. Unsere Musik soll stimmig klingen.”
Und eure Texte? Wovon handeln Songs wie “Dear Brother” und “Wreckage”?
Boos: “‘Dear Brother’ ist ein sehr persönlicher Song für mich. Ich habe einen Freund auf den Philippinen, der an Blutkrebs erkrankt ist. Die medizinische Versorgung ist dort drüben alles andere als gut, und mir sind hier die Hände gebunden. Ich kann nichts für ihn tun. Wie bringst du einem Freund also bei, dass er nicht in zehn, sondern vielleicht schon in drei oder vier Jahren sterben wird? Und wie gehst du damit um, dass ihr trotz der großen Distanz Freunde seid? ‘Dear Brother’ ist ein sehr emotionaler und intimer Song, deshalb war es mir auch sehr wichtig, ihn auf der EP an die erste Stelle zu setzen. Er musste sofort weg.”
Nalenz: “Wir können natürlich viel aus den Texten vorwegnehmen und sie erklären, aber am besten ist es, wenn sich jeder selbst damit auseinandersetzt. Im Posthardcore kannst du dir Sachen sehr gut von der Seele schreien. Diese Musik macht uns glücklich, sie befreit uns.”
Boos: “Wenn ich mir Touché Amoré anhöre, funktioniert das genauso. Ich hoffe deshalb, dass die Leute sich aus unserer Musik genau das rausholen, was sie gerade brauchen.”
Nalenz: “Wir wollen Identifikationsräume in unseren Songs schaffen und Hoffnung wahren, darum geht es.”
Wie bereitet ihr euch auf euren Auftritt auf der VISIONS-Party vor? Habt ihr darüber hinaus Pläne, wie es weitergehen soll?
Boos: “Es geht jetzt erst mal darum, das Lampenfieber zu reduzieren. Wir wollen uns möglichst gut auf den Auftritt vorbereiten. Wir haben natürlich auch über unsere EP hinaus Material, das wir präsentieren werden.”
Nalenz: “Der Auftritt ist eine große Chance für uns – und die wollen wir nutzen. An neuer Musik schreiben wir im Grunde immer. Was wir letztendlich mit dem Material machen, können wir jetzt noch nicht sagen, aber wir werden auf jeden Fall eine neue EP oder ein Album veröffentlichen.”
This Heals Nothing treten am 2. Dezember als Opening-Act auf unserer VISIONS-Party im Dortmunder FZW auf. Derzeit bietet die Band ihre Debüt-EP via Bandcamp zum frei wählbaren Betrag zum Download an.