Unser Bus kann leider nicht vor der Elserhalle parken und hat deshalb mangels Strom, was auch ein Nichtfunktionieren der Air-Condition bedeutet, bereits nach einem Tag eine Luft, die keinerlei Sauerstoff, dafür aber verschiedene weniger willkommene Inhaltsstoffe beinhaltet.
Gut die Hälfte der Turbojugendlichen macht sich darum am Vormittag auf in eine nahe gelegene Sauna, die für den Körper gleich doppelten Effekt verheißt: Entgiftung von innen und Reinigung von außen. Ich dagegen muss ja Bericht erstatten und fahre daher einmal quer durch München zu einem Freund, der mir netterweise Schreibtisch und Badewanne zur Verfügung stellt.
Die Turbojugend steht also in ungewohnter Frische und zu neuen Schandtaten bereit in der Elserhalle, die angeblich ausverkauft sein soll, aber zum Glück nicht wirklich aus allen Nähten platzt. Die Band hingegen scheint nicht ganz so guter Dinge zu sein. Bereits nach dem zweiten Song droht Happy-Tom: “If you dont stop throwing glasses, well stop to play. We dont care, cause we get paid anyway.” Die meisten finden diese Reaktion doch ein wenig überzogen, schließlich handelt es sich hier um Plastikbecher, die kaum dazu geeignet sind, ernsthafte körperliche Schäden hervorzurufen. Außerdem ist auf jedem Becher 1 Euro Pfand, da könnte man bestimmt noch eine kleine Aftershowparty mit sponsern.
Doch die Band siehts nicht von der lockeren Seite, mitten im vierten Song – bezeichnenderweise “Turbonegro Must Be Destroyed” – bricht sie ab, Hank ruft noch “Turbojugend, Arbeit!” und die sechs Norweger verlassen die Bühne. Nach ein paar Minuten kommen sie aber wieder und haben auch den gewohnten Humor dabei. Happy-Tom lobt 100 Euro aus für jeden, der ihm einen Becherwerfer auf die Bühne schleift. Na ja, die Becher fliegen weiter munter durch die Luft, die Band spielt ihren Set nach Plan zu Ende. Der Sound ist sehr ordentlich, aber die Rhythmussektion kann heute irgendwie nicht den ultimativen Druck erzeugen. Man kann wohl immerhin von einer okayen Show sprechen, allerdings habe ich von Turbonegro schon mindestens ein Dutzend bessere gesehen.
Auch heute finden wieder inoffizielle Aftershowpartys statt, doch wie schon gestern in Stuttgart finden sie ohne die Anwesenheit von Band und Jugend statt. Stattdessen kehrt die Entourage noch für ein paar Drinks in einem Irish Pub im Kunstpark Ost ein. Die Stimmung ist wieder gut, die Show wird unter der Rubrik ‘Es muss nicht immer Kaviar sein’ abgehakt. “Morgen wird wieder besser”, verspricht Chris Summers. Um 2 Uhr bläst die Tourmanagerin dann zum Zapfenstreich, schließlich gilt es die längste Distanz auf der kurzen Deutschlandtour zurückzulegen. Und im Bus kann man schließlich auch hervorragend feiern. Mit Gang Green in amtlicher Lautstärke donnern wir von der Isar an den Rhein, und als der Nightliner gegen Morgen vor dem Kölner E-Werk parkt, sind diesmal auch alle schon brav in ihren Kojen.
Die Medienstadt Köln bedeutet für die Protagonisten der Band natürlich verstärkten Stress. Die Interviews sind ‘wichtiger’ als die zuvor in Süddeutschland, wo vor allem Stadtmagazine und Lokalradios um Auskunft gebeten haben. Deshalb ist auch der Promoter Gero aus Berlin angereist, damit er den Turbo-Tourmanager Frederic davon überzeugen kann, dass es an der Zeit ist, die Band aus den Kojen zu holen. Schließlich möchte Charlotte Roche für ihre Sendung Fast Forward gleich ein Special drehen, und fürs Fernsehen sollten die Jungs eben nicht gerade erst aus den Federn geschlüpft sein. Zumindest sollten sie nicht so aussehen. Klappt aber alles reibungslos, wenig später sitzen Hank und Happy-Tom gestriegelt und geschminkt mit Charlotte im Café des E-Werks, und wie man so durch die Scheiben mitverfolgen kann, haben alle drei eine Menge Spaß.
Jörg Staude ruft an und erzählt, dass Felix Magath neuer Trainer bei seinem Lieblingsclub Schalke 04 werden soll. Gut zu wissen, dass auch die Welt jenseits dieser Tour seltsam und unberechenbar ist. Neueste Hiobsbotschaft unsererseits: Amulet haben es leider noch nicht hierhin geschafft, also muss auch die heutige Show ohne Vorband auskommen. Vielleicht besser so, da sie wegen der strikten Wochenendspolitik (siehe auch den ersten Bericht, Stichwort ‘Große Freiheit’) um 19 Uhr hätten anfangen müssen. Um 22 Uhr soll das E-Werk nämlich wieder geräumt sein, damit die tanzhungrigen Kölner sich produzieren können. Morgen in Bielefeld soll das aber wieder anders sein, und dann sind hoffentlich auch Amulet am Start.
Autor/Foto: Dirk Siepe