Deutschlandradio, Frankfurter Rundschau, 3Sat, taz, Musikexpress, IQ Style, Spex, Plastic Bomb, Jüdische Allgemeine, Radio Fritz, VISIONS und viele andere: Das Presseecho, dass die von der Initiative I can’t relax in Deutschland herausgegebene Kombination aus Compilation und Buch ausgelöst hat, ist enorm. Mit vier Aufsätzen im Buch und 20 Songs auf der CD rollen sie eine Debatte neu auf, die sich längst nicht im Thema Deutschquote erschöpft. Viel eher geht es um Grundsatzfragen und den Unwillen, einzusehen, warum es plötzlich auch in “alternativen” (Musik-)Kreisen als normal betrachtet wird, “deutsch” zum Qualitätsmerkmal zu machen und die Linie nicht zwischen konventioneller und interessanter Musik, sondern zwischen Nationen und Sprachen zu ziehen.
“Wenn Emi Music einen im Internet zu beziehenden Sampler mit Juli, Silbermond und anderen ‘Generation Deutsch’ nennt, dann ist das nicht mehr kokett, sondern abstoßend” – schreibt nicht etwa die linke Initiative, sondern die bürgerliche Frankfurter Rundschau in einer Rezension zum Projekt und fragt sich zu Recht, “warum beispielsweise Wir sind Helden mitmachen, anstatt sich dagegen zu verwahren, gemeinsam mit ihren Epigonen in die schwarz-rot-goldene Schublade gesteckt zu werden.”
Gegen diese Schublade wehren sich auf der CD zum Buch so erfrischend gegensätzliche Künstler wie Tocotronic, The Robocop Kraus, Mouse On Mars, Kettcar, Lali Puna, Die Goldenen Zitronen, Knarf Rellöm, Kante, Superpunk oder Muff Potter (Foto): Mal in direkter Predigt, viel häufiger aber in einer Mischung aus Ärger, Lakonie, Humor oder wortloser Ästhetik, welche diesen Protest auch künstlerisch überzeugen lässt.
Im doppelten Sinne schwieriger wird es da schon mit den Aufsätzen von Martin Büsser, Roger Behrens und der Gruppe Sinistra!, die sich nicht mit einer Kritik an der Nation zufrieden geben, sondern gleich komplett mit dem Kapitalismus als Zwangssystem und der Kulturindustrie als gigantische, jeder echten Revolte die Zähne ziehende Scheinrevolution aufräumen – in einer Sprache und auf einem Niveau, das man je nach Sichtweise als herausfordernd oder bei weitem zu kompliziert bezeichnen darf. Dennoch ist das Buch zur CD (Besprechung in VISIONS #149) mehr als lesenswert, da es wirklich an die Wurzeln geht und beispielsweise die Kritik an Kapitalismus, Kultur und moderner Welt als urdeutsche, romantische Tradition entlarvt, die nicht selten in Antiamerikanismus, Antisemitismus und einfacher Feindbildsuche mündet, vor denen auch und gerade die “rebellische” Rockmusik nicht gefeit ist.
Einen ausführlichen Artikel zur Initiative findet ihr in der VISIONS #150. Im Buchhandel erscheint das Paket erst am 04.10.