“Are we the last living souls?” fragen die Gorillaz gleich zu Beginn mit doppelt gebrochener Ironie und eröffnen so das neuste Update in Sachen kultureller Systemtheorie: Billo-Elektro wird mit 80s-Flair versehen, im Zwischenspiel erklingen Akustikgitarren und wohltönende Pianoschläge, zum Ende hin wird’s dubbig. Das freut natürlich den Pop-Analytiker, doch all die graue Theorie ist spätestens in dem Moment vergessen, wenn “Feel Good Inc.” erklingt, der verdammtnochmal beste Alle-auf-die-Tanzfläche-Song seit Outkasts “Hey Ya”, ein Monster aus Groove, Beats und Kick, das in den nächsten Monaten die Clubs beherrschen wird wie die Gala die deutschen Wartezimmer. “Kids With Guns” gerät zum fesselnden Treppenwitz, klingt der Song doch nach gebremsten Blur; “O Green World” hingegen hört man Dan Nakamuras Arbeit mit Head Automatica an. Doch leider hat nicht alles Fell, was hier durch den Dschungel tobt: Gab es beim letzten Mal noch den “Clint Eastwood”, müssen wir uns nun mit seiner Rolle, “Dirty Harry”, begnügen. Auch hier darf man sich am grünen Tisch gerne an bedeutungsschweren Rollenspielen abarbeiten, der Song jedoch taugt wenig, wirkt zerrissen und konzeptlos mit seinem Taumelgang zwischen Kindergesang, 80s-B-Boytum und harten Raps. Im weiteren Verlauf der Platte wird deutlich, dass die Gorillaz 2005 am meisten Spaß machen, wenn sie das Tempo anziehen wie bei “White Light”. Zurückgelehnte Modern-Pop-Nummern wie “El Mañana” oder “Every Planet We Reach Is Dead” wirken hingegen dröge und herkömmlich, die angechristeten Folk-Chöre bei “Don’t Get Lost In Heaven” und im Titellied verursachen gar schlimme Assoziationen an das Age Of Aquarius. Vielfalt und Zwiespalt im Urwald – die Gorillaz finden die Mitte. Allerdings nicht immer die goldene.
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