Angenommen, Sie wären Discjockey. In einem Tanzclub auf Ibiza. Irgendwie da rein geraten, Widerstand zwecklos, im Herzen Rock’n’Roller, kraft ihrer Anstellung aber dazu verdammt, über Wochen und Monate, die sich anfühlen wie Jahre, nichts anderes aufzulegen als tumbe, sich selbst viel zu wichtig nehmende Ferienhousemusik, die so organisch klingt wie Michael Jacksons Nase aussieht. Gesetzt den Fall, Sie fühlten sich trotzdem berufen, all die Menschen auf dem Dancefloor zu missionieren, ihnen zu zeigen, dass es ein Leben nach Junior Jack und Benny Benassi gibt, am Ende gar ein besseres; wie könnten Sie das anstellen? Motörhead, die Brechstange? Au, ja! Und dann zusehen, wie man dem lynchmordlustigen Mob entkommt… Allen, die nicht so gut im Rennen sind, legen wir “Stars Of CCTV” ans Herz, die Platte zum behutsamen Rundumkonvertieren für alle “Fun under the sun”-Elektroniker; ein Album aber auch, nach dem gestandene Rock-Liebhaber den Rock noch etwas lieber haben dürfen. Weil er, der Rock, es wagt, den diesseits herzlich verpönten Spaßtechno an die Hand zu nehmen, und dorthin zu führen, wo ihn Vorwürfe wie Redundanz und Kunstlosigkeit nicht einholen. Zum Beispiel “Tied Up Too Tight”, dieser superselbsthaftende Indie-Sommerhit, zu dem uns hier allein der Sommer fehlt: geht los mit Konservenklavier und flirrenden Synthie-Samples, klingt kurz nach Rumpelgarage, doch nur, damit dich der catchy “Na na na na na”-Chor noch prompter mitreißt, als er es ohnehin täte. Oder, umgekehrt, “Cash Machine”: zackige Wave-Gitarren, die ihren Weg in den Refrain über Soul-inspirierte Chillsounds finden. Rich Archer gibt den gestrandeten Gewohnheitsverlierer dazu, der weder Geld fürs Zugticket nach Hause hat noch Mumm genug zum Schwarzfahren. “We’re the stars of CCTV”, singt er im Titellied – man hört ihm die Londoner Kinderstube nun an – vom Heldsein wider Willen im Land der omnipräsenten Überwachungskameras, als trenne Großbritannien ein letzter Schritt von der Orwellschen Düstervision. Passt dazu: der abstrahierte Zweifarben-Schick des Plattencovers. Passt nicht dazu: der satte Optimismus, der aus fast allen dieser elf Stücke spricht, wenn auch seltener lyrisch als musikalisch. “Move On Now”, “Better Do Better” – man unterstellt Hard-Fi bestimmt nicht zu viel, wenn man an Songnamen wie diesen die Stoßrichtung ihrer ersten LP ablesen zu können glaubt. Schon jetzt ist 2005 nicht eben arm an bemerkenswerten Debüts junger englischer Bands, und man tut gut dran, so lange wie möglich zu warten, ehe man sich auf das bemerkenswerteste einigt. Sollten Mut und Eigensinn am Ende die ausschlaggebenden Kriterien sein, dürfen Hard-Fi schon mal ein paar Schritte in Richtung Siegertreppchen gehen. Dann ist der Weg hinterher nicht so weit.
Produziert von Wolsey White und Richard Archer
weitere Platten
Killer Sounds
VÖ: 19.08.2011
Once Upon A Time In The West
VÖ: 31.08.2007