Das schlimmste Missverständnis in der Geschichte der Rockmusik besteht darin, das “Weiche” als das Angepasste und Banale zu kodieren, als Entspannung und Weltflucht, während sich im “Harten” all der Protest und Widerstand gegen das System formiere. Ein Missverständnis für Fortgeschrittene ist dementsprechend, dass weiche Musik nur dann subversiv sein kann, wenn sie das Songformat sprengt und als formlose, meist elektronische Musik Erwartbarkeiten und vorgefertigte Muster dekonstruiert. Belle And Sebastian gehen einen anderen Weg und benutzen seit zehn Jahren die klassische Schönheit des (Indie-) Pop-Songs, um mittels ihrer Texte einen Kontrast zur leicht entrückten Harmoniesucht der Musik aufzubauen. So erzählt auch “The Life Pursuit” bitterböse und humorvoll vom sexuellen, sozialen und seelischen Leben und Leiden der als “girls” und “boys” bezeichneten Menschen, die bei Belle & Sebastian seit jeher in einer zeitlosen Sphäre leben; einer endlos verlängerten teenage angst voller begründetem Unbehagen. Niemals arbeitete Stuart Murdoch so narrativ, die Songs sind kleine Geschichten vom “White Collar Boy” oder Sukie, der armen Kunststudentin, die ihre Reize als Aktmodell zur Verfügung stellen muss und einem Jungen den Kopf verdreht, an dessen Geldbörse sie hängt. In unverschämt aufbauender Leichtigkeit vorgetragene Schnappschüsse eines Lebens, in dem nichts in Ordnung ist. Fein beobachtet, aber immer ohne Bitterkeit, eher mit einem achtsamen Staunen, gesungen von einer Stimme, die strahlt, weil sie die Wirklichkeit bis in den letzten Winkel ausleuchten will. Musikalisch kleidet die Band ihren Pop-Entwurf dabei zum ersten Mal in ganz weite Kleider. Northern Soul, Funk, Sixties-Beat, Glam, Folk, Tanzsaal-Bläser. Scheint der verspulte Indie-Zauber ihrer bisherigen Alben zunächst verloren, entwickeln die 13 Songs von “The Life Pursuit” mit jedem Durchgang stärker eine klassische, vollendete Zeitlosigkeit. Dass die sich weiterhin nicht mit unverfänglicher Tralala-Lyrik paart, hebt diese einzigartige Band auf ein ganz neues Level.
weitere Platten
Late Developers
VÖ: 13.01.2023
A Bit Of Previous
VÖ: 06.05.2022
What To Look For In Summer (Live)
VÖ: 11.12.2020
Days Of The Bagnold Summer (OST)
VÖ: 13.09.2019
How To Solve Our Human Problems
VÖ: 16.02.2018
How To Solve Our Human Problems
VÖ: 19.01.2018
How To Solve Our Human Problems
VÖ: 08.12.2017
Girls In Peacetime Want To Dance
VÖ: 19.01.2015
The Third Eye Centre
VÖ: 26.08.2013
Write About Love
VÖ: 11.10.2010
The BBC Sessions
VÖ: 21.11.2008
Push Barman To Open Old Wounds
VÖ: 24.05.2005