Die Gefahr, dass die Entdeckung des Jahres 2003 heute bereits in Vergessenheit geraten ist, drohte hier auch gar nicht. Man wartete geduldig auf den zweiten Schlag der Kanadier, das konnte man allein schon an der massiven Enttäuschung ablesen, die die Absage ihrer Auftritte bei den VISIONS-Anniversary-Festivals im November vergangenen Jahres hervorgerufen hat. Die Band war auf der sicheren Seite, eher schon konnte es den Fans mulmig werden. Hatten Billy Talent ihre kreativen Reserven schon aufgebraucht oder feilten sie die neuen Aufnahmen zu Tode, aus Angst, dem explosiven Vorgänger nicht das Feuer reichen zu können? Zum Glück sind Billy Talent nicht Guns N Roses, und mit der ersten halben Minute von “Devil In A Midnight Mass” weicht eventuelle Skepsis bereits der glückseligen Gewissheit, dass Billy Talent die in sie gesetzten Erwartungen locker erfüllen und sogar übertreffen können. Auch “II”, von Gitarrist Ian DSa diesmal als Co-Produzent aktiv mitgestaltet, begeistert mit meterdicken Riffs, tödlichen Hooks en masse und dem einzigartigen Gesang von Benjamin Kowalewicz, der mit der Kraft von mindestens drei Pferdelungen singt, schreit und kreischt. Screamo? Nee, dieser Begriff wird der Klasse der Musik nicht gerecht, weil er Limitierung beinhaltet. Mit dem wundervollen, ganz unpeinlichen Schmusesong “Surrender” zeigen sie, dass sie auch die besseren – oder zumindest jüngeren – Red Hot Chili Peppers sein könnten, wenn sie das denn wollten. “Red Flag” wiederum ist ein knackiger Soundtrack zu einer wie auch immer gearteten Revolution und “In The Fall” eine perfekte Mischung aus Gefühl und Härte, nur per Lobotomie wieder aus dem Kopf zu bekommen. Aber das Gehirn soll ja nicht ausgeschaltet werden, dafür sind die Songs zu intelligent, und selbst für Billy Talents Verhältnisse durchschnittliche Songs wie “Where Is The Line”, “Perfect World” oder “Sympathy” dürften Vertreter besagten Genres an ihrer Existenzberechtigung zweifeln lassen. “Silent nights for the rest of my life”, singt Ben im ersten Song “Devil In A Midnight Mass”, doch in nächster Zeit wird es für Billy Talent alles andere als ruhig werden, denn “II” ist keineswegs schwächer als das sensationelle Debüt und wird den Wirbel um die Band mit Sicherheit aufs Neue entfachen.
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