Die große Sängerin hat in ihrer Karriere genug gejammert. In ichren früheren Songs lauerte der Schrecken hinter jedem Akkord, und statt sich ihrer Phobie zu stellen, verzog sich Chan Marshall in die verstaube Hinterzimmerecke und schrieb fantastische Lieder, die zum Beispiel “Nude As The News” hießen und vor allem eine Botschaft hatten: Lasst mich in Ruhe, ich mag nicht reden, ich will alleine sein! “The Greatest” ist ein großer Schritt in Richtung Gemeinschaft. Aufgenommen mit einer handvoll legendärer Studiocracks aus Memphis, ist die Platte ein warmherziges, zuvorkommendes Werk. Der Titelsong erzählt ein poetisches Boxermärchen und strahlt mit seinen Streichern grenzenlose Wärme aus; im kurzen aber famosen “Could We” flirtet sich Mrs. Marshall galant durch den Frühling. Die Begleitband spielt die mal munteren, mal bedeckten Soulpop-Songs denkbar unaufgeregt, und bevor die für Cat Power neue Radiotauglichkeit fast betäubend wirkt, retten zwei Geniestreiche vor der Beliebigkeit: Der Protagonist in “Willie” schwingt mit Offbeat, Jazz-Trompete und sensationellem Gesang durch seine Beziehungswelt; das anschließende “Where Is My Love” – nur Piano, Stimme, Streicher – erreicht tatsächlich fast die Klasse von R.E.M.s “Nightswimming”, für eine Klavierballade die denkbar höchste Auszeichnung. Da kann sie später noch so viel flöten und pfeifen: Melancholie und Schönheit gehören bei Chan Marshall noch immer dazu. Aber sie duckt sich nicht mehr weg, wenn wir ihr dabei zuhören.
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