Hätte “Deep Cuts”, das zweite Album der Stockholmer Geschwister Olof Dreijer and Karin Dreijer Andersson, die betörende, feingeistige Sounddichte von “Silent Shout” abbekommen – niemand wäre daran vorbeigekommen. Nicht Popper, nicht Elektroniker, nicht der Indie-Spezi. Diesmal verliert man sich im Geräusche-Kosmos; lässt knöselige Knispelbeats in “Marble House” in der Luft tanzen (schön), setzt waschechte Techno-Synthies ein wie bei “Silent Shout” (eher unschön). Zwischen sechs auskomponierte Stücke pressen sie aus dem Zusammenhang gerissene Trance-Techno-Ambient-Ausflüge: unspannend, unwichtig, vom Weg abgekommen (höre: “Na Na Na”). Hinzu kommt strapazierenderes Gefistel vom weiblichen Part der zwei. Nur drei Mal schimmert ihre volle Klasse durch: bei einem düsteren Tango mit exakt dem Gesang und dem Melodie-Feingefühl, das auf “Deep Cuts” den Rücken überschauerte (“Marble House”). Bei “The Captain”, einer waschechten The Knife-Weirdo-Ballade. Und beim groovig vor und zurück schwingenden Schmuckstück “We Share Our Mothers Health” – einem echten Tanzkracher. Nur: Singt sie, wirds verstörend bis herzerweichend; singt er, wirds meist ein wenig peinlich. Zu oft ergehen sie sich in zu Melodie gemachtem Regengeplätscher, in kaltem Blech-Gewaber, in Techno-Pump-Beats. Man kann sich nicht recht entscheiden, ob das hier zu viel des Guten oder gewagt-genial ist. Indes: Die große Kunst, den Synthesizer traumwandlerisch zu bändigen und zu beherrschen, sollte man ihnen hoch anrechnen. Die typischen Steeldrum-Simulationen – etwa bei “One Hit” –, ihre avantgardistische Philosophie, die völlige Narrenfreiheit, die sie sich gönnen: alles da, in Hülle und Fülle. Nur auskomponierte Stücke fehlen. Warm waren Knife-Platten nie; jetzt wirken sie kalt-distanziert, verquer, ohne roten Faden. Und doch ist auch der stumme Schrei von so großer, eigenartiger Anziehungskraft, dass man sich immer wieder auf ihn einlässt.
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