Tom Waits
Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards
Text: Carsten Schumacher
Der gute alte Schrottplatz-Hobo Tom kommt mit ölverschmierten Händen und Schweißerbrille auf der Stirn aus der Werkstatt, um zu sehen, was seine Frau da für ihn getrennt hat. Aha, in der ersten Kiste sind die Sachen, auf denen er klingt wie ein pöbelnder Whiskeysäufer zwischen Boogie-Stomper und Deltablues, die zweite hat eher so den besinnlichen Touch und dürfte als Weihnachtsschmuck durchgehen, und in der dritten sind so die Sachen, die er zwar selber sehr gerne mag, aber bei denen er nie so ganz sicher war, ob andere das nachvollziehen können. Das ist so der Kram, der sich anhört, als wären der Geschlossenen die sedierenden Medikamente ausgegangen. Es dürfte niemanden überraschen, was hier so steht. Dieser Schrottplatz mit all seinen Fundstücken, dem ganzen bizarren Charme, ist schließlich schon seit langer Zeit sein Refugium. Hier schraubt er die schrägen Klänge immer wieder zu teils befremdlichen Gebilden zusammen, denen er dann die Freiheit schenkt. Die Welt kennt das schon. Das sind Töne, die andere wegschmeißen würden und Texte, die niemand mehr liest. Neulich fand er zum Beispiel ein Manuskript vom schonungslosen Naturalisten und Bürgerschreck Charles Bukowski. Genüsslich legte er da seine Stimme aufs Reibeisen und las es laut vor. Seine Frau hat’s dann in die dritte Kiste gepackt. Ist ja auch nicht Jedermanns Sache, dieser exzentrische 60er-Jahre-Kram. Ähnlich verhält es sich mit einem Song vom “On The Road”-Autoren und Ober-Beatnik Jack Kerouac. Obwohl der in den Schulen wahrscheinlich schon zum regulären Lehrplan gehört. Gleich zwei Mal liegt der da rum. Tom kratzt sich im Nacken. Ah, da ist ja auch noch dieser Schnipsel “Dreigroschenoper” und dort hinten ein Stück Ramones in Kiste Nummer eins. Viele dieser Sachen hatte er schon fast vergessen, hatte sie unter der Veranda vergraben. 56 verschiedene Eigentümlichkeiten liegen da insgesamt, 30 davon hat er noch nie jemandem gezeigt. Er selber beschreibt dieses Sammelsurium als “eine Menge Songs, die während der Zubereitung des Abendessens wohl hinter den Herd gefallen sind.” Man könnte es allerdings auch als Überkompensation sehen. Wie von einem Vater, der den Kindern teure Geschenke macht, weil er nie zu Hause ist. Anstelle einer Tour also, in diesem Falle.
weitere Platten
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VÖ: 21.10.2011
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The Black Rider
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Franks Wild Years
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