Aereogramme
My Heart Has A Wish That You Would Not Go
Text: Jochen Schliemann
Es ist noch nicht so lange her, da waren Aereogramme eine ebenso stilistisch wie emotional zerrissene Rockband. Auf ihrem 2001er Debüt “A Story in White” schwankten sie zwischen Winseln und Geschrei, schrabbelten sich durch Hochs und Tiefs, durchbrachen immer wieder “leise” mit “laut” und “laut” mit “leise”. Wenig später coverten sie dann bereits Michael Jacksons “Thriller”. Und das nicht aus Trotz oder mit schlechtem Groove und Gebrüll, sondern in dem gespenstischen Sound, den der Song eben braucht. Inzwischen, Anfang 2007, ist bei Aereogramme an Schreien nicht mehr zu denken. Und das im wörtlichen Sinn. Aufgrund einer bösen Halsinfektion war Sänger und Songschreiber Craig B monatelang stumm. Und begann ausgerechnet in dieser Zeit, Songs für das neue Album zu schreiben. Deren malerische Klasse bewegte die Band schließlich zu einem konzeptionellen Ansatz: Ihr schon immer großer Hang zu cineastischen Soundbildern gipfelte nun in dem Vorhaben, nur Musik zu verwenden, die auch als Filmmusik funktioniert. Das Ergebnis sind zum einen die fragilsten aber auch besten Songs ihrer Karriere und zum anderen ein Album, das runder und homogener als alles ist, was Aereogramme zuvor veröffentlicht haben. Alle Ideen wurden kanalisiert in einem warmen, fetten, durch Streicher und Keyboards angereicherten, hochmelodiösen Sound. Gerade mal für 26 Sekunden lässt der Eröffnungsorkan des ersten Songs “Conscious Life For A Coma Boy” eine rasende Platte vermuten, bevor er eine regelrecht besinnliche eröffnet. “You know I’d like a conscious life/ I don’t know how to get there/ I don’t know how to get there”, windet sich Craig wenig später zu beschwingten Streichern. Und sucht im Folgenden nach Wegen zum gerade formulierten Ziel. Diese Wege sind teils gewohnt dunkel (“Nightmares”), teils taghell und euphorisch (“Barriers”) und ab und zu immer noch im endlosen Zwielicht verborgen (“Living Backwards”). Der Albumtitel “My Heart Has A Wish That You Would Not Go” stammt aus dem Horrorbestseller “Der Exorzist”. Aber nicht nur das macht ihn so passend. Er ist auch beispielhaft für die entwaffnende Emotionalität dieser Platte. “My only friend, my bitterest opponent”, beschreibt Craig in “A Life Worth Living” einen der Adressaten. Wer auch immer das ist. Er oder sie muss Aereogramme sehr nah stehen.