Immerhin hat sich im Hause Minus The Bear zwischen dem letzten und diesem Album das Alltagsgeschäft breitgemacht: Keyboarder Matt Bayles hat seinen Ausstieg erklärt und möchte sich fortan lieber auf sein Produzenten-Dasein beschränken. Er hat seine Koffer gepackt, und in einen scheint er den Popappeal seiner ehemaligen Band gepackt zu haben. Minus The Bear funktionieren jetzt anders. “Planet Of Ice” klingt so, als hätte es den verbliebenen Bärenbrüdern gegolten, im Zuge ihrer Neustrukturierung gleichsam noch eine dickere Schicht ihres Kokons abzuwerfen; unter der neuen Hülle kamen mehr Gitarren zum Vorschein. Außerdem haben sich Minus The Bear dessen entledigt, was man als Neuvermessung althergebrachter Trademarks beschreiben könnte. Anstatt in akribischer Detailversessenheit einzelne Gimmicks – darunter das komplette elektronische Equipment wie im Ewigkeitsjuwel “El Torrente” ihres letzten Albums – so hoch, kopflastig und verfrickelt zu stapeln, wie es das fragile Fundament einer Songlänge zuzulassen scheint, streift man auf dem neuen Album lieber gleich die komplette Verankerung im Hier und Jetzt ab. So kann man zum überwiegenden Teil denn auch Songs folgen, die auf einer offensichtlichen Drei-Minuten-Melodie-Idee fußen, um dann kurz vor Ablauf dieser irdischen Frist ihren Weg in eine entrückte Sphäre anzutreten. Plötzlich, abrupt, aus dem Stehgreif – gerade so, als ob jeder Song ein verdecktes Protonenpäckchen mit sich trägt, der ihn binnen Sekunden in die Umlaufbahn schießt. Enthoben von Zeit und Raum kehrt Langsamkeit ein, die Zeitlupe wird zum Gradmesser der Geschwindigkeit. Wer sich da an seelige Pink-Floyd-Zeiten erinnert fühlt, darf an dieser Stelle befriedigt laut aufatmen. Man mag es Gitarren-Psychedelica nennen – die Band aus Seattle ist endlich dort angelangt, wo die qualitative Langlebigkeit ihrer Songs von einer umgekippten Acht repräsentiert wird. Wer sich schon immer gefragt hat, wie es klänge, wenn Maritime eine geniale Songidee an Dredg und diese das aufgemotzte Konstrukt in dessen Folge an The Mars Volta weiterreichten, der darf diesen elegischen Prozess mit “Planet Of Ice” nachverfolgen. Ein berauschender Trip.
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