The Strange Death Of Liberal England
Forward March!
Text: Daniel Gerhardt
Die meisten Lieder von Arcade Fire haben so einen Moment. Den Augenblick, in dem das Laienorchester einen Gang hochschaltet, aus hingebungsvollem Ganzkörpergesang ekstatisches Ganzkörpergeschrei wird, die Instrumente nicht mehr gespielt, sondern ausgeschlachtet werden, der Funke überspringt und ihre stets lebensnahen Hymnen Feuer fangen. Auf dem Debütalbum von The Strange Death Of Liberal England beginnt dieser Moment nach 64 Sekunden und dauert fast den ganzen Rest der Platte an. Automatisch führt einem diese Musik außer Kontrolle geratene Liveauftritte vors innere Auge, Band und Publikum verschmelzen zu einer großen Euphoriekugel, Seemannschöre schmettern Arm in Arm, Marschtrommeln verselbstständigen sich, und Gitarren enden mit dem Hals zuerst in hilflos ausglühenden Verstärkerboxen. Natürlich muss es eine besonders konditionsstarke Band sein, die sich in ihren kratzig gesungenen und ruppig gespielten Songs derart aufopfert – selbst wenn “Forward March!” am Ende nur 31 hoch angespannte Minuten stark ist. Vor allem ist es aber eine Band, die trotz aller Glockenspiele, Pianos, Banjos, Melodicas und Trommelwirbeln in ihren Liedern die Macht der E-Gitarre feiert. Mit ausufernden My-Bloody-Valentine-Verschwurbelungen genauso wie mit der mürrischen Kurzangebundenheit, die man einst von den Pixies lernte. Kein liebevolles Album, sondern ein Liebe verlangendes – mit Halbherzigkeiten will diese Band erst gar keine Zeit verlieren.
weitere Platten
Drown Your Heart Again
VÖ: 22.10.2010