In Our Nature
Text: Daniel Gerhardt | Erschienen in: VISIONS Nr. 157
Grundrechnen mit José González: Wenn der schwedische Songwriter nun nach vier Jahren sein zweites Album veröffentlicht, das 33:08 Minuten dauert und man davon noch die 3:33 des obligatorischen Elektro-Hit-Covers (diesmal Massive Attacks “Teardrop”) abzieht, bleiben sieben Minuten und 24 Sekunden Musik, die er pro Jahr geschrieben hat. Rein theoretisch. Ein Glück also, dass González sich nicht pro Lied, sondern pro verkaufte Platte bezahlen lässt – es kamen schließlich allein im UK dank seiner sensiblen Version von The Knifes “Heartbeats” und dem zugehörigen Werbespot rund 400.000 zusammen. Ein noch größeres Glück ist aber, dass Zahlen in der Welt von González egal sind und die Zeit auch schon länger still steht. Sein kreiselnder, hypnotisierender, unberechenbar aufbrausender Gitarrenstil und seine unscharfe, leidgeprüfte Stimme sorgen mit der gleichen Zuverlässigkeit wie auf “Veneer” dafür, dass man alle Termine vergisst. Es gibt nur ganz wenige, kaum hörbare Drumbeats, einen Mund voll Background Vocals und eine aus der Reihe fallende Keyboardspielerei. Der Rest ist auf den kleinsten Nenner runtergekürzte Wesentlichkeit, blanke Knochen und trockenes Blut. Warum “In Our Nature” dann nicht ganz so niederschmetternd ist wie sein Vorgänger? Vielleicht weil González diesmal keine Liebeslieder schreiben wollte und sich stattdessen viel mit Evolutionsbiologie beschäftigt hat. Ist nur so eine Idee.