Gesunde Gesellschaften brauchen Wandel, sonst verkrusten die Strukturen und erstarren die Kräfte. Kevin Drew, zusammen mit Brendan Canning Gründer der Broken Social Scene, brauchte ein bisschen Zeit, um das zu begreifen. Dabei waren die Anzeichen für den nötigen Wandel offensichtlich: An der letzten Platte des Kollektivs vor zwei Jahren arbeiteten sich die Kanadier beinahe kaputt, zeitgleich kamen Gesellschaftsmitglieder wie Jason Collett, Amy Millan (auch bei den Stars) oder Andrew Whiteman alias Apostle Of Hustle mit eigenen Alben um die Ecke. Die Vielplatterei hätte damals auch das Ende der Gruppe, immerhin Prototyp der Kanada-Kollektive, bedeuten können. Doch Drew sah und handelte – und auf “Spirit If…” heißt es zum ersten Mal: Broken Social Scene Presents. Die Idee: Einer ist für die Lieder verantwortlich, die Scene schenkt ihre Arrangierkunst und die Wucht ihrer Performance. Der Chef selbst macht den Anfang und zeigt, wie gut die Sache funktionieren kann. Nach famosem Krach im Intro erfreut Drew mit einigen neuen Qualitäten. Für verquere Dramatiken, die auf das obligatorische Laut/Leise der Langweiler pfeifen, hatte er schon immer ein Händchen, doch die Art und Weise, wie er hier Melodien schichtet, ohne in Dissonanzen zu verfallen, führt zu filigranen Momenten. Willkommen in der Indie-Lounge: “Lucky Ones” oder “Safety Bricks” heißen die besten Kompositionen, der Grusel von “Frightening Lives” transportiert Devo ins Hier und Jetzt, bei “Broke Me Up” kokettiert Drew mit Countrywissen. Man mag sich mitunter über einige Längen wundern, doch wenn ganz am Ende in “When It Begins” Lärm und Melodie um die Wette klingen, ist gewiss: Die Gesellschaft hat die Strukturen aufgebrochen und damit die Kräfte forciert. Als Nächster ist der zweite BSS-Gründer Brendan Canning dran.
weitere Platten
Influences (als K.D.A.P.)
VÖ: 16.07.2021
Darlings
VÖ: 21.03.2014