Was die Weakerthans einzigartig macht? Virtute, die Katze, hilft dir auf die Sprünge. Auch auf “Reunion Tour” schlüpft Textchef John K. Samson wieder in das Fell der Mieze, die sich 2003 in dem Song “Plea From A Cat Named Virtute” erstmals nörglerisch zu Wort meldete. Virtute ist inzwischen ihrem selbstmitleidig-wunderlichen Frauchen entwischt, fand in einer Fabrikhalle eine unwirtliche neue Heimat – und trauert leise dem trauten Heim nach. Das alles umarmende Kleinod “Virtute The Cat Explains Her Departure” entwaffnet alles und jeden. “How I’d knead into your chest while you were sleeping/ Shallow breathing made me purr”, schwelgt Sampson im Katzenjammer, ohne dabei gefühlsduselig zu klingen, “but now I can’t remember the sound that you found for me.” Ein unaffektiertes Schlusssolo setzt der brillanten Ballade die Krone auf. Wer fast vergessen hat, warum er das vierte Weakerthans-Album herbeisehnte: Hier ist die Antwort. Die Zeit dafür war überreif. Vier Jahre verstrichen seit dem Release von “Reconstruction Site”, dem dritten von bisher drei famosen Studioalben der Kanadier. Niemand wusste so genau, ob die Weakerthans zurückkommen würden. Und vor allem: wann. Im Januar schaute die Band um Wortwürfler John K. Samson dann endlich im Studio vorbei, um fünf oder sechs Songs einzuspielen. Als die im Kasten waren, ließ der Haus- und Hofproduzent Ian Blurton der Band keine Ruhe: “War das etwa alles? Habt ihr nicht noch mehr?” – Die Weakerthans dachten nicht lange nach, sondern spielten einige Ideen vor. Und waren selbst am meisten überrascht, dass sie im Handumdrehen genug Material für ein Album beisammen hatten. “Reunion Tour” beruhe weniger auf einem Gesamtkonzept, lässt Samson wissen, “es ist eher eine Song-Sammlung”. Doch nicht irgendeine, sondern eine umwerfend gute. “Reunion Tour” ist liebevoll austariert: Pop, Rock und Folk halten sich hier die Waage, Punk fällt kaum mehr ins Gewicht. Stattdessen stoßen die Weakerthans die Tür für Keyboard-Experimente auf, lassen luftige Synthesizersounds herein und beim Titelstück außerdem illustre Flöten und Glockentöne. Zwei der neuen Songs sind übrigens so neu gar nicht mehr: Das erst unscheinbar daherrollende, bald unverzichtbare “Night Windows” findet sich schon länger im Liveset, das stille Schlusswort “Utilities” ebenso. Letzteres schaukelt sich allmählich in Fahrt, während Synthiesounds tief in das analoge Klangbild hineinwuchern. “I just wish I were a toothbrush or a solder gun”, singt Sampson, “make me something somebody can use.” Aus den grüblerischen Metaphern schält sich ein warmes Solo, das nach nichts als Hoffnung schimmert. Das tut gut, mit jedem Hördurchlauf mehr. Die Weakerthans lassen uns nicht im Regen stehen, sondern demonstrieren lebensweise Gelassenheit und – fast beiläufig – musikalische Extraklasse. Die Kanadier wollen die Welt mit ihren mal samtfüßig schleichenden, mal Sporen gebenden Liedern nicht anhalten, aber für einen Augenblick ausbremsen. Hinhören lohnt sich, garantiert: “Reunion Tour” wächst und wächst, nur Geduld. Die Prognose lautet: ein Klassiker, wieder mal.
weitere Platten
Live At The Burton Cummings Theatre
VÖ: 19.03.2010
Reconstruction Site
VÖ: 08.09.2003
Watermark (Single)
VÖ: 22.01.2001
Left And Leaving
VÖ: 25.07.2000
Fallow
VÖ: 06.11.1997