Evangelicals
The Evening Descends
Text: oliver schröder
Im Zentrum der Abgelegenheit, unweit vom Geburtsort der Flaming Lips, liegt Norman, Oklahoma. Würde man auf Google Earth nur lange genug suchen, könnte man dort ein paar freakige Landeier auf und ab hüpfen sehen, die Hände in die Luft gereckt, losbrüllend: “Hier sind wir! Nehmt uns wahr! Vor allem: Nehmt uns mit!” Wie eine kleine fliegende Untertasse schwirrt “The Evening Descends” durch den Raum, schwebt zackig in der Luft, steht selten still. Absichtlich überdreht und hoffnungslos am Falsett festgenagelt, spielt Sänger Josh Jones clever mit trashigen B-Movie-Klischees. Die dabei entstehende Klangfarbenexplosion überfordert die Synapsen zunächst derart, als ließe man beliebig viele Platten von Sigur Rós und Radiohead gleichzeitig laufen. Der erste Reflex ist der Griff zur Fliegenklatsche. Kaum zu glauben, aber nach längerer Eingewöhnungszeit bringt das Hirn Ordnung ins Chaos – und ist ernsthaft süchtig nach Substanzen, die man nüchtern nicht mit der Kneifzange anfassen würde: funkige Glam-Riffs, gruseliges Synthiegeblubber, progressiver Kitschrock. Nicht nur in der Natur haben die giftigsten Viecher die grellsten Farben.