Amanda Palmer
Who Killed Amanda Palmer
Text: Markus Hockenbrink
Neulich auf ihrem Kölner Konzert hat Amanda Palmer nur die Lippen bewegt. Die Musik kam vom Band, die Stimme von Ben Folds und der Song hieß “Cologne”. Das Publikum wirkte nicht so, als wäre es nur zufällig reingeschneit und genoss die Darbietung sichtlich, inklusive des Zauberers im Vorprogramm, der eigentlich eher aussah wie ein Gewichtheber. Das Synchronsingen dauerte natürlich auch nur ein Stück lang, der Rest des Materials wurde von Amanda höchstselbst intoniert, schließlich ist “Who Killed Amanda Palmer” das Soloalbum der Dresden Dolls-Frau, und was ist schon persönlicher als das eigene Ableben? Ben Folds allerdings sitzt zumindest auf der Platte mit in Palmers marodem Kahn, musizierte und produzierte und staubt dafür die eine oder andere Liebeserklärung ab. Direkt radiotauglich ist die Musik dadurch nicht geworden, im Gegenteil: Wer die Dresden Dolls kennt, vermisst wenig vom kompromisslosen Banshee-Sound des Fetischistenduos und der dazugehörigen Lingo. Die Palmer ist auch alleine weitgehend Uneasy Listening, aber deswegen nicht weniger spannend. Keine Frage: Man kann es enervierend finden, wenn jemand das Klavier bearbeitet wie ein Exorzist mit Schlafentzug und dazu am laufenden Band gesangliche Purzelbäume schlägt, aber auf Weihnachten hätte man ja zum Beispiel auch nicht jeden Tag Lust. Wer allerdings über gekonntes Songwriting staunen kann und seine Märchenstunde gerne morbide mag, findet in Amanda Palmer eine kompetente Ansprechpartnerin. “Boys just want to have fun”, singt sie, nur dass dieser Spaß bei ihr immer eine wesentlich finsterere Angelegenheit ist als bei Cyndi Lauper, Ehrensache. Die Künstlerin träumt eben immer noch in Schwarzweiß, lacht und weint durch knirschende Zähne hindurch und vermutet: “We all go to Alaska when we die.” Ein paar Stücke weiter unterlegt eine aufreizend fröhliche Melodie inklusive schmissigem Chorgesang einen Popsong über Vergewaltigung, Abtreibung und Blur-Konzerte, der sich natürlich “Oasis” nennt. Für die anschließende Erholung muss man selber sorgen, denn Palmer parkt ihre haarsträubenden Etüden nie im Bereich sanfter Ironie oder kryptischer Symbolik. Erst dadurch spürt man den Unterschied zu den meisten anderen musikalischen Erscheinungen: Wo Amanda Palmer wild, mutig und entwaffnend umgangssprachlich wirkt, ist ein Großteil zeitgenössischer Rockmusik einfach nur “so polite it’s offensive”.
weitere Platten
There Will Be No Intermission
VÖ: 08.03.2019
I Can Spin A Rainbow
VÖ: 05.05.2017
You Got Me Singing
VÖ: 15.07.2016
Theatre Is Evil
VÖ: 14.09.2012