Vielleicht war der Erfolg von “American Idiot” ein Stück weit auch höherer Gewalt geschuldet. 2004, als Amerika die zweite Amtszeit von George W. Bush noch bevor stand und der Zeitgeist es en vogue schienen ließ, auch in Europa I am an American Idiot! bei den Shows zu skandieren. Man hatte den Erfolg jedoch auch dem eigenen Songwriting-Wandel zu verdanken, Songs wie “Boulevard Of Broken Dreams” waren schlichtweg zeitloses Songwriting in einer klassischen Besetzung, immerhin davon geadelt, dass ein Herr Gallagher vor Neid auf die Palme ging. Um sich vom Erfolgsdruck locker zu machen, spielten Green Day unter falscher Flagge zwischenzeitig als Foxboro Hot Tubs mit drei Akkorden 60s-Power-Pop-Punk. Danach begann die Arbeit am Nachfolger, der mit Butch Vig eingespielt wurde. Natürlich hätte die Versuchung nahe gelegen, ein leidlich inspiriertes zweites “American Idiot” zu machen – der Cashflow wäre garantiert gewesen. Aber Green Day sind einen Schritt weiter gegangen, haben sich tiefer in das Bewusstsein des amerikanischen Rock’n’Rolls gegraben. “21st Century Breakdown” wird von einem narrativen Rahmen und drei Akten zusammengehalten, den Geschichten von Christian und Gloria, die durch ein endidealisiertes und abgewirtschaftetes Amerika reisen. Die musikalische Inszenierung dessen besitzt eine Spannweite von höchst eingängigen Stadionrockern (“Know Your Enemy” oder “Horseshoes And Handgrenades”), groß inszenierten Technicolor-Beatles-Momenten (“Last Night On Earth” oder “Restless Heart Syndrome”) und, ja auch die gibt es wieder, Queen–The Who-Rock-Opern in handlichen Abmessungen wie dem Titeltrack “21st Century Breakdown”. Dazu der bleibende Eindruck, dass Billie Joe Armstrong ein paar Gesangsstunden draufgepackt hat und nun Töne trifft, die ihm vorher nicht einmal bekannt waren – und, dass die Kohäsionskräfte bei diesen 19 Songs und gut 70 Minuten Musik nicht ganz so stark ausgeprägt sind, das Konzept nicht so griffig wie einst daherkommt. Vielleicht auch, weil man noch nicht den Schritt zum Doppelalbum vollzogen hat und zu viele Ideen auf begrenztem Platz stattfinden. Aber das ist marginale Kritik, denn was “21st Century Breakdown” schließlich auszeichnet ist, dass Green Day es überhaupt haben ersinnen können. Die drei Andrew Lloyd Webbers des Punkrock.
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