Mit der rauen Härte ihres letzten Albums Station hatten sich Russian Circles im Juli 2008 auf unseren Platte-des-Monats-Thron gewuchtet. Mit Geneva folgt nun keinesfalls der tiefe Fall, aber doch ein Punktverlust, der auf die neue, facettenreichere Produktion zurückzuführen ist. Doch vergessen wir die graue Tabellentheorie. Was für Russian Circles zählt, ist ohnehin nur das Spiel. Das Agieren der geloopten Gitarre, das Reagieren des Schlagzeugs und die teilweise dominante Vervollständigung durch den Bass. All das funktioniert nach wie vor einwandfrei. Die Prog- und Metal-Elemente haben auf Geneva abgenommen, auch wenn uns der Titeltrack noch vom Gegenteil überzeugen will. Die sieben Songs wirken schwermütiger, nicht mehr so hämmernd selbstbewusst. Als stiege man bergauf, käme aber nie oben an. Russian Circles drehen ihre Runden neuerdings lieber unterhalb des Gipfels und lassen sich von epischen Bläsern und himmlischen Streichern begleiten. Insbesondere in Hexed All kommen Letztere zur Geltung. Ein Ambient-Track, der seicht beginnt und es nicht nötig hat, Gitarren und Schlagzeugspiel über die Ufer treten zu lassen. Eine neue Sound-Facette, die durch Cellistin Allison Chesley und Violinistin Susan Voelz hinzugekommen ist. These-Arms-Are-Snakes-Bassist Brian Cook gehört mittlerweile fest zur Band und füllt mit seinen Bassläufen den Raum zwischen Schlagzeug und Gitarre. Oder drängt sich wie im Titeltrack zerstörerisch in den Vordergrund. Im Hintergrund ließ man Brandon Curtis, Kopf der Secret Machines, an entscheidenden Knöpfchen drehen. Geneva hält wenige laute Ausbrüche parat, kann sich den Genre-typischen, epischen Tracklängen aber nicht verwehren. Auch bei den durchaus mit Sinn behafteten kurzen Titeln bestätigt die Ausnahme die Regel: When The Mountain Comes To Muhammad fällt eindeutig aus der Reihe. Der Acht-Minuten-Track, der mit dem Sample eines Atombombentests beginnt, erinnert aufgrund seiner Thematik an das Station-Cover, das eine nicht näher identifizierte Gruppe von Soldaten zeigt. Und dieses Mal? Wieder so ein Cover, das auf den ersten Blick Geheimnisse birgt. Ein futuristisches Gebäude – zumindest war es das mal. In einem bejahrten Spionage-Thriller wäre es die Basis der bösen Geheimorganisation. Dabei handelt es sich nur um ein verlassenes Krankenhaus in Detroit. Die simple Realität kann so wirkungsvoll sein. Eine Tatsache, die auch auf den Sound von Russian Circles zutrifft.
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