The Unwinding Hours
The Unwinding Hours
Text: Matthias Möde
Wer will schon noch trauern, wenn The Unwinding Hours dazu ansetzen, das Loch zu stopfen, das Aereogramme hinterließen? Personell nur zur Hälfte, musikalisch und gefühlt aber beinahe komplett. Zweifel? “Knut” lässt sie erst gar nicht zu, trocknet Tränen und lässt das Debüt von The Unwinding Hours wunderbar beginnen. Der mit knapp sechs Minuten längste Song des Albums glänzt durch hallende Soundschichten und Dynamik. Flirrende Gitarren schleichen sich versöhnlich in den stapfenden Rhythmus. Eisbär oder Sludge-Metal-Band? Titel-Spekulationen, die man nach wenigen Sekunden verwirft und vergessen hat, wenn Craig B energischer wimmert und dieser magische Moment folgt, der klingt, als würde man gerade eigenhändig Excalibur aus dem Felsen ziehen und in die Höhe halten, um anschließend die Welt von allem Bösen zu befreien. Gitarrenschichten, Streicher, Keyboards und, zugegeben, ein wenig Übertreibung und Fantasie machen es möglich. Die sich wiederholende Textzeile, für deren Aufnahme The Unwinding Hours sich erst kurz vor Fertigstellung des Songs entschieden, tut ihr Übriges: “We can, we will, we must get up.” The Unwinding Hours, mit der Auflösungserscheinungen zeigenden Uhr auf dem Cover, scheint ein Album der späten Entscheidungen zu sein. Craig B schrieb schon seit dem Aus von Aereogramme an eigenen Songs. Als er 2008 einige davon aufnehmen wollte, begab er sich in die Alucard Studios seines alten Weggefährten und Freundes Iain Cook. Zwischen Iains TV- und Filmprojekten fand man sich immer wieder im Süden Glasgows zusammen. Der Musik wegen. Ohne Erwartungen, Deadlines oder Albumpläne. Cooks Begeisterung und Engagement wuchsen. Ein gemächlicher Aufnahme- und Entwicklungsprozess formte die beiden zum Duo. Aerogramme sind zurück, möchte man schreiben, muss es aber doch revidieren. Zu solchen Gedanken verführt wird man von der unverwechselbaren Stimme Craig Bs, den filmreifen Kompositionen und der schweren Melancholie, die den großen Themen auf The Unwinding Hours nahe steht – Beziehungen, Zwischenmenschliches, Liebe. Mit seinen dichten Streichern und Keyboards beschreibt “Tightrope” den dramatischen Drahtseilakt einer ungleichen Beziehung. Das träumerische “Traces” vertont den Anfang einer großen Liebe. Dieses einmalige aufblühende Gefühl, liebestrunken durch die Welt, diese schöne Welt, zu wandeln. Mit einem aufwirbelnden, noisigen Schlussakt beschreibt “There Are Worse Things Than Being Alone” das genaue Gegenteil. Das erbarmungslose Ende einer Liebschaft: “Let me out of here, my love.” Ähnlich traurig wie “The Final Hour”, das schon während der letzten und traumatischen Aereogramme-Tour entstand und das Album langsam und laut beschließt. Schlag auf Schlag begleiten harte Gitarren und Drums Craig Bs Gesang in die Zukunft, die gar nicht so trostlos aussieht, wie der Song klingt. Denn laut Band könnte sie früher oder später auch ein zweites Album mit sich bringen. Man muss trotzdem zurückschauen und möchte es mantraartig wiederholen: “My heart has a wish that you would not go”.
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Afterlives
VÖ: 24.08.2012