Das bombastische zweite Album der Australier kann sich allenfalls selbst schlagen – mit seiner Länge. Mit mehr als 70 Minuten Spielzeit fordert “Sound Awake” nicht nur auf der Distanz Aufmerksamkeit. Jeder der elf Songs geht in die Tiefe, überrascht und lässt kaum Zeit, um im atmosphärischen Sound der Australier zu versinken. Mit schwärmerischen Gitarren böte das achtminütige “New Day” eine Gelegenheit, abzudriften und abzuschalten, würde es nicht im nächsten Moment mit schneidenden Gitarren und der erschütternden Stimme Ian Kennys eine ruhende Landschaft zum Leben erwecken. Sowohl mit dem Albumcover als auch mit ihren ästhetischen Videos legt die Band ähnliche Klang-Metaphern nahe. Der optische Bombast spiegelt sich im hochwertig und präzise produzierten Sound wider. Das wuchtige Schlagzeug und der harte Bass bilden das Fundament, auf dem zwei unberechenbare Gitarren und ein Frontmann, der sich nur dem Gesang widmet, thronen. Abgesehen vom Energiebündel “Set Fire To The Hive” setzen Karnivools> Progrock-Epen meist auf Atmosphäre. Ein eindringlicher Bass und das versierte Schlagzeugspiel lassen “Goliath” groovend und schwankend auferstehen. Die abschließenden Tracks “Deadman” und “Change (Part 2)” machen zusammen knapp ein Drittel des Albums aus, klingen erwachsen und entfalten sich trotzdem noch. Lange müssen Dredg und Porcupine Tree nicht mehr als musikalische Ziehväter zur Verantwortung gezogen werden.
8/12 matthias möde
Wie groß sind Tool, Dredg, Opeth und Porcupine Tree in Down Under? Entweder sie sind echte Megastars oder sie machen sich rar. Beides könnte erklären, warum es in Australien einen regelrechten Prog-Rock-Boom gibt und Bands wie Cog, The Butterfly Effect und Karnivool in ihrer Heimat einen solchen Erfolg haben. Die gemeinsame Schnittmenge: Sie sind technisch über jeden Zweifel erhaben, sie schreiben gefällige Songs, aber es fehlt ihnen das entscheidende Etwas. Das, was die oben genannten Bands eben einzigartig macht und über bloßes Muckertum hinaushebt. “Sound Awake” bestätigt das in seiner fast 80-minütigen Ausführlichkeit. Wenn sie musikalisch an Tool und gesanglich immer wieder an Dredg erinnern, fehlen Karnivool die düstere Verweigerungshaltung und der Hang zum Gesamtkunstwerk von Ersteren und der Forscherdrang und das Melodiegespür von Letzteren. Karnivool bleiben, und das ist das Schicksal vieler musikalisch ähnlich ausgerichteter Bands, im biederen Alternative-Prog-Rock hängen. Dabei hat man das Gefühl, man hörte sogar den Stock im Arsch, der sie daran hindert, etwas zu wagen, ihren Perfektionsdrang mit echtem Wahnsinn zu paaren und Kunst mit allen Gefahren zu kreieren, die dahinter stecken und dazugehören. Wenn man die salbungsvollen Bandzitate zur Platte liest, fragt man sich, was sie wohl gesagt hätten, wenn ihnen ein Album wie “Lateralus”, “De-Loused In The Comatorium” oder “Crack The Skye” gelungen wäre.
5/12 jens mayer
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Asymmetry
VÖ: 19.07.2013