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    Interpol
    Interpol

    VÖ: 03.09.2010 | Label: Cooperative/Universal
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 210
    Schönheit
    Interpol - Interpol

    Wenn Tugenden wie zum Beispiel eine schneidende Gitarre in den Hintergrund treten, wenn generell musikalische Trademarks zugunsten ihres Sängers und eines atmosphärischen Song-Aufbaus vernachlässigt werden – ausgerechnet dann machen Interpol ihr bislang bestes Album.

    Natürlich auch ausgerechnet kurz bevor ihr Bassist die Band verlässt. Da kommt das Albumcover wie eine böse Vorahnung: Interpol bröseln auseinander. Einfach wird es zunächst nicht werden ohne Carlos Dengler, den man je nach Haltung gegenüber der Band als Style-Ikone von dunkler Coolness begreift oder als Vogel im Nazi-Look. Unbestritten ist seine Rolle als öffentliche Identität von Interpol, da sind Sam Fogarino, Daniel Kessler und gerade auch Paul Banks zu scheu für oder zu desinteressiert an irgendeiner Art von Darstellung ihrer Gruppe nach außen hin. Fotosessions sind für die Typen ja schon schlimm genug, und da war es dann eben meistens Carlos Dengler, der die Blicke auf sich zog. Nun – zumindest das bekommt Banks neuerdings ganz gut hin, durch ein Lachen zum Beispiel. Das kommt im Interpol-Kosmos verstörend genug, weil machen wir uns mal nichts vor: Auch “Interpol”, dem Namen nach die vielleicht ultimative Manifestation dieser Band, ist vor unterschwelliger Sehnsucht nach Leid und tiefem Fall eigentlich kaum lieb zu haben. Und wie eingangs beschrieben, geben einem Interpol heutzutage nicht mal mehr eine prägnante Gitarren-Figur an die Hand, in die man sich als New-Wave- oder auch Indie-Fan verknallen kann.

    Stattdessen lassen sie bei “Lights” minutenlang diese eine völlig ungriffige Melodie in Schleife laufen, steigern das Ganze spät und nur durch einige wenige Worte mehr und zwei weitere Stufen vorsichtiges Schlagzeug. Bei so vielen Bands würde dieser Kniff in der Wirkungslosigkeit verpuffen, hier drückt das Wenige den Song auf einen nicht zu leugnenden Gipfel. Wenn denn mal Gitarren grüßen – beim großartigen “Barricade” – werden sie durch so viel Hall nach hinten in den Raum zerstäubt, dass sie höchstens noch unterstützen. Allein Banks und seine Stimme tragen dann noch, er hat so viel zu tun wie noch nie und löst das Problem mit einer frischen Palette an Tonhöhen und Ausdrucksvarianten. Dieses kurze, nachgeschobene zweite “…need homes” bei “Barricade” – es bricht am Ende; eine winzige Bewegung weg von der kräftigen Zeile, die ihm vorausgeht. Die Wirkung ist enorm. Als kompletter Satz – “Thieves and snakes need homes” – sowieso. Insgesamt ein gewaltiges Stück Klang, das auf Songaufbau vor simpler Instrument-Wirkung setzt. Zehn Gelegenheiten, um wegen Denglers Weggang zu trauern und sich gleichzeitig von der neuen Kraft trösten zu lassen. Und Leute – “Always Malaise”. Ihr wollt es doch nicht anders.

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